Reihe CineGraph Buch
Helga Belach, Wolfgang Jacobsen (Redaktion):Richard Oswald. Regisseur und Produzent
CAGLIOSTRO (1928/29)
Bernard Eisenschitz
CAGLIOSTRO galt lange Zeit als verschollen. Erst kürzlich wurden in der Cinémathèque Française unter diesem Titel einzelne Rollen von Negativ- und Positivmaterial gefunden. Dabei stellte sich heraus, daß Material von Oswalds CAGLIOSTRO mit einem frühen, homonymen Film von Camille de Morlhorn gekoppelt war. Es handelte sich größtenteils um Ausgangsmaterial für die Herstellung von 9,5mm-Kopien, also für Filme im sogenannten Pathé Baby-Format, was die narrative Kohärenz dieses Fragments erklären mag. Die Zwischentitel wurden für die kürzere 9,5mm-Fassung neu redigiert: Ganze Episoden wurden zusammengefaßt, Personen umbenannt (der Marquis von Espada, gespielt von Charles Dullin, wurde zum Comte de Breteuil) oder schlicht eliminiert, wie die Marquise von Espada (Rina De Liguoro). Einige Sequenzen sind noch anderer Herkunft, etwa eine Szene mit der fast entkleideten Ilena Meery, die ausgiebig das Collier der Königin auf ihrem nackten Körper begutachtet; solche Szenen hätten kaum zur familiären Unterhaltung getaugt, auf die das Pathé Baby-Programm ausgerichtet war. Die Cutterin Renée Lichtig hat lange an der Rekonstruktion dieses Films gearbeitet; ihre Fassung, die 1989 fertiggestellt war, entspricht nun etwa der Hälfte jenes Films, der 60 Jahre früher in die Kinos gekommen ist: 1425 Meter gegenüber 2850 Metern in Frankreich beziehungsweise gegenüber 2900 Metern in Deutschland. (Diese Länge ist im »Film-Kurier« angegeben, »Der Film« nennt 3050 Meter, und nach der berliner Zensurentscheidung war der Film 3241 Meter lang.) Gab es also verschiedene Versionen? Der Film ist eine deutsch-französische Co-Produktion russischer Emigranten: von Wladimir Wengeroff für die deutsche Seite und von Alexander Kamenkas pariser Produktionsfirma Les Films Albatros. Mag sein, daß die deutsche Zensur hinsichtlich gewagter Szenen toleranter war, vielleicht war aber auch das deutsche Publikum einfach geduldiger gegenüber der Überlänge einer Superproduktion.
Zwei künftige Regisseure von Rang arbeiteten bei diesem Film Oswalds in kleinen Funktionen als Techniker mit: Marcel Carné als Assistent des Regisseurs und Jean Dréville als technischer Assistent. Letzteren habe ich gebeten, sich den Film mit mir gemeinsam anzusehen. Dréville war von Chefkameramann Jules Kruger angestellt worden, der Drévilles Improvisationstalent bereits während der Arbeit an L'ARGENT kennen und schätzen gelernt hatte. Kruger war bei diesem Film von Marcel L'Herbier Kameramann gewesen, und Dréville hatte die Dreharbeiten mit seinem Dokumentarfilm AUTOUR DE L'ARGENT begleitet und dokumentiert. Bei CAGLIOSTRO war Dréville für die Lösung technischer Probleme der Kameraarbeit zuständig. Ihm oblagen die Vorbereitungen für Travellings, er überwachte die Einrichtung und Positionierung der Vorbaumodelle undsoweiter.
Dréville - ebenso wie Carné in seinen Memoiren - erinnert sich an Richard Oswald als einen diktatorischen und cholerischen Mann; etwa in der Art jener Regisseure, wie sie in deutschen Studios vorherrschten und die später nicht selten ihre eigenen Produzenten wurden. »Oswald inszenierte mit einer Trillerpfeife, und wenn er wütend wurde, flog diese Pfeife quer durchs Atelier. Der Assistent mußte dann hinterher galoppieren.«
Dreharbeiten zu Cagliostro: Hans Stüwe, Jules Kruger, Marcel Carné
Keine Einstellung der wiederaufgefundenen Version enthält Außenaufnahmen - allein der mit Filmtechnik befaßte Rezensent von »Der Film« scheint welche gesehen zu haben; er bemerkte, daß sich die Außenaufnahmen »nicht organisch genug« mit den Studioaufnahmen verbänden; auch Dréville konnte sich nicht erinnern, außerhalb des Studio Francoeur gedreht zu haben. (Allerdings wurden für einige Einstellungen größere Sets benötigt, die dann in den Studios von Epinay gebaut wurden.) Marcel Carné erzählt, daß zwar zwei Reisen - eine nach Italien und eine zur Côte d'Azur - geplant waren, jedoch auf Betreiben der Produzenten abgeblasen wurden, da diese die Drehzeit von ursprünglich geplanten sechs Monaten auf neun Wochen - das heißt sechzig Tage - zusammengestrichen hatten. Carné beschreibt Oswald, wie er von einem Set zum anderen hastete. »Zwei Motive pro Tag waren die Regel. Mitunter kamen wir gar auf drei oder vier! (...) Daß bei dieser Gangart kaum von einem Achtstunden-Arbeitstag die Rede sein konnte, liegt nahe. Drehschluß war meist spät abends, und die ‚glücklichen' Filmmacher kamen selten vor elf Uhr zu ihrem Essen.«
Die Bauten ebenso wie die Kostüme des Films verdanken sich dem russisch-ungarischen Team Lazare Meerson und Alexander Ferenczy sowie Eugène Lourié (ebenfalls ein Russe, der damals noch Maler war und von Meerson gelegentlich Aufträge vermittelt bekam). Es begegneten sich in diesem Film drei verschiedene kinematografische Traditionen: die deutsche (für sie steht der Regisseur Richard Oswald), die russische (repräsentiert auch von den Produzenten Wengeroff und Kamenka) und die französische (verkörpert im Rest des technischen Teams). Auch die Schauspieler stammten aus diesen drei Ländern.
CAGLIOSTRO gehört einem damals beliebten und gängigen Genre an: 1928, in dem Jahr, als er produziert wurde, entstand auch Karl Grunes MARQUIS D'EON - DER SPION DER POMPADOUR, ebenso Gaston Ravels LE COLLIER DE LA REINE und Raymond Bernards TARAKANOVA. Allerdings unterschieden sich Meersons und Ferenczys Bauten sowohl von den Dekorationen Jean Perriers für Raymond Bernard als auch von denen Ivan Lochakoffs, der einige andere Filme der Albatros aus dieser Zeit ausgestattet hat. Meerson und Ferenczy bauten mit Blick auf die Kamera, und ihre Räume strukturierten geschickt die Aufgliederung der Einstellungen vor, etwa durch ein Fenster mit einem Gazevorhang, der während einer Szene vorgezogen wird, um einen Abstand zu den Personen herzustellen. Auch wie sie mit den historischen Stilen umgingen, fiel aus dem Rahmen: Natürlich griffen auch sie auf die hinlänglich gewohnten Zeichen für das 18. Jahrhundert, wie etwa die gewienerten Parkettböden, zurück (Eugène Lourié erzählte mir, daß Lazare Meerson seine erste Anstellung der Tatsache verdankte, daß er aus den berliner Studios die Geheimnisse der Parkettproduktion kannte); aber daneben gibt es auch Orientalismen, Dekorationen mit gedrechselten Säulen und beiseite gleitenden Geheimtüren im Palast von Dullin. (Der melodramatische Schluß der Episode, als Cagliostro seine Fesseln zerreißt und den erwürgt, der versucht hatte, seine Frau zu verführen, läßt an Mosjoukin denken, aber eher in seinen schwächeren Rollen.)
Von der ersten Sequenz an - zumindest ist es die erste der rekonstruierten Fassung, vermutlich aber auch die erste des ursprünglichen Films - wird deutlich, wie sehr CAGLIOSTRO von einem meisterlichen Umgang mit dem Licht lebt. Der Illusionist vor seinem volkstümlichen Publikum ist wie eingeschlossen in Lichtfelder, er wird umkreist von der Kamera, und eine Vielfalt von Einstellungen beschwört seine geheimnisvolle Kraft ebenso wie sie sie in Zweifel zieht. Man mag durchaus glauben, daß Cagliostro ein Visionär ist, aber der Film versucht es nie einzureden, und die glatten und kalten Züge des Hans Stüwe - sehr viel weniger hypnotisch als die Physiognomie eines Conrad Veidt - tragen das ihre dazu bei, die Entscheidung zu erschweren, ob es sich bei Cagliostro um Lug und Trug oder um eine erstaunliche übernatürliche Gabe handelt.
Auf diese Einführung folgt eine Szene am englischen Hofe des Jahres 1778 und später eine phantasievolle Version der Affaire um das Collier der Königin aus dem Jahre 1784, versetzt mit »historisch verbürgten«, dem NAPOLEON von Abel Gance entliehenen Einzelheiten. Im Epilog werden Cagliostro und seine Frau von der Heiligen Inquisition zum Tode verurteilt, entkommen jedoch und fahren ihrem Glück entgegen, vorbei an einem Totengräber - wie eine Figur aus »Hamlet« oder aus Pirandellos »Il fu Mattia Pascal« -, der gerade das Grab für den Helden aushebt.
In einem Aufsatz Drévilles, erschienen in seiner eigenen kleinen Zeitschrift »On tourne«, wird das technisch Innovative der Films herausgestellt: »Die Studioaufnahmen wurden auf panchromatischem Material gedreht; es kamen Lichtquellen mit hohen Gelb- und Weißanteilen zum Einsatz, da die ausschließliche Verwendung gelben Lichts bislang nur zu sehr zweifelhaften Resultaten führte.« Und Marcel Carné schreibt, daß das Kamerateam »mit panchromatischem Material arbeitete und die Aufnahmen aus dem Zusammenspiel des gelben Lichts der Scheinwerfer mit dem weißen Licht der Bogenlampen eine dem Auge schmeichelnde Sanftheit erhielten, mit unglaublich differenzierten Grau-Abstufungen«. An anderer Stelle nennt Dréville eine weitere - im jetzigen Film nicht erhaltene - Erfindung Krugers: »Als man gerade anfing, mit panchromatischem Material zu arbeiten, war er der allererste, der in der Dekoration eines Studios gedreht hat, das sich ins Freie öffnete, mit Blick über die Dächer von Paris. Das hatte man so eingerichtet, um mit der Kamera von außen nach innen gehen zu können. Heutzutage mag das banal sein, aber damals war es außergewöhnlich, denn es setzte ein Licht voraus, das eine angemessene Wiedergabe der Farben in Grau-Abstufungen und Schwarzeiß-Werten ermöglichte. Während man in praktisch allen Studios der damaligen Zeit mit dem violetthaltigen Licht der Quecksilberlampen arbeitete, war Kruger der erste, der Glühlampen verwendete, speziell in dieser Sequenz.«
Die Travellings wurden auf Schienen oder - dies war meist der Fall - mit einem bereiften Kamerawagen gemacht. Die Totalen von Versailles oder im Palast von Dullin wurden mit Hilfe von Modellen realisiert, die durch den Sucher (man sah durch ein Stück belichtetes Negativ) genau positioniert wurden. Exakt aneinander passende Masken verdeckten erst den einen, dann den anderen Teil des Bildfeldes, und das Filmstück wurde zweimal belichtet. Diese Modelle waren teils gemalt, teils gebaut; so ließen sich einfache Bewegungsabläufe integrieren, zum Beispiel das Fallen eines Vorhangs. Die Modelle waren das Werk von Percy Day (der auch eine kleine, nicht mehr erhaltene Rolle als Astronom spielte, und dessen konkaves und sehr englisches Gesicht man ebenfalls im NAPOLEON von Gance entdecken kann). Als Cagliostro Marie-Antoinette hypnotisiert (dargestellt von Suzanne Bianchetti, die hier ihre Rolle aus NAPOLEON wieder aufnahm, sieht man ihr Gesicht in einer sehr nahen Aufnahme, bis schließlich ihr Auge die gesamte Leinwand einnimmt und die Guillotine erscheint; eine Einstellung, die mit einem Brachyscope realisiert wurde, einer zusätzlichen Linse, die vor dem 50mm-Objektiv angebracht wurde.
Carné führt weitere Paradestücke der Bildgestaltung an: die Szene der Festnahme zum Beispiel, die mit vier Kameras gedreht wurde (»Kruger, der bäuchlings am Boden lag«, so schreibt er, »filmte die Füße der Schauspieler«), oder das Fest in Lorenzas Dorf (nicht in der Rekonstruktion enthalten, aber Carné zufolge einer der Höhepunkte des Werks), das mit mobilen Kameras aufgenommen wurde, die am Körper angeschnallt waren; es gab auch Travellings durch die Luft, wobei ferngesteuerte Kameras an Stahlseilen über der Szenerie schwebten (zwei Errungenschaften aus NAPOLEON), und mitunter wurde die Beleuchtung der Scheinwerfer auch mit aufgemalten Lichteffekten auf den Hintergründen kombiniert.
Zur Szene auf der italienischen Piazza, wo Cagliostro gefangengenommen wird, erinnert sich Dréville, daß sie mit einer einzigen Bogenlampe ausgeleuchtet wurde. In einer für den deutschen Film typischen Figuration wird Cagliostro von den Wachen der Inquisition eingekreist, die ihm mechanischen Schritts, Bajonett voran, immer näher rücken (sie töten schließlich seinen treuen Diener, gespielt von dem russischen Schauspieler Iwan Kowal-Samborski). Ohne sich dessen bewußt zu sein, zitierte Dréville diese Szene am Ende eines seiner eigenen Filme, LE JOUEUR D'ECHECS (1938), wo Gaston Modot durch Automaten getötet wird.
In dieser Epoche, der »höchste visuelle Schärfe« (Epstein) als oberstes Gebot galt«, mochte Kruger jedoch nicht darauf verzichten, auch mit Unschärfen oder Verlaufsblenden zu arbeiten, und er machte vielfältigen Gebrauch davon: angefangen bei einem kreisförmigen Raster auf schwarzem Grund, um eine Einstellung zu rahmen, bis zu verschiedenen anderen Rastern auf den Gesichtern der Darsteller oder auf dem nackten Körper von Jeanne de la Motte, wodurch die Ambiguität der Szene, in der sie Cagliostro zu verführen sucht, unterstrichen wird. Krugers Bildkompositionen bauen eher auf die Abfolge von Tableaux als auf Schnittfolgen, die sich im französischen Film vergleichsweise spät durchgesetzt haben. Eine ganze Szene zwischen dem Helden und Rohan (Alfred Abel) ist ein Ineinander verschlungener Travellings nach vorn und wieder zurück, um das schmeichlerisch manipulative Agieren des Hochstaplers optisch hervorzuheben. Andererseits ist die Episode aus dem italienischen Gefängnis sehr stark in Einstellungen aufgelöst, mit Auf- und Untersichten, stürzenden Linien und einem Netzwerk aus Gittern, kurz: ein Dekor aus strengen Flächen, dessen Bezug zum 18. Jahrhundert äußerst vage ist, und eine Beleuchtung mit heftigen Hell-Dunkel Kontrasten, die der »Logik des Lichtfalls« verpflichtet ist. (Das geht so weit, daß Kruger gar den heller werdenden Schein der aufgehenden Sonne zeigt.)
Dieser visuelle Erfindungsreichtum, der so viele Filme des letzten Jahres der Stummfilmzeit miteinander verbindet, sollte nicht unerwähnt bleiben; für den Kritiker von »Der Film« stellte sich dies allerdings nur als unausgewogene Bildqualität dar, und er schrieb das der Tatsache zu, daß im Abspann vier Kameraleute genannt sind. Tatsächlich gab es aber nur einen verantwortlichen Kameramann: Jules Kruger, der hier sein ganzes Können einbrachte. Geboren 1891 in Straßburg, konnte er 1928 bereits auf einige beachtliche Arbeiten zurückblicken: Er hatte 1924 VIOLETTES IMPERIALES von Henry Roussell fotografiert, drei Jahre später NAPOLEON von Abel Gance und 1928 L'ARGENT von Marcel L'Herbier. In der Folgezeit sollte er dann hauptsächlich mit Raymond Bernard zusammenarbeiten, so unter anderem bei TARAKANOVA - einer weiteren Superproduktion der frühen panchromatischen Zeit - und mit Julien Duvivier (in sieben Filmen). Später wurde er im Metier wegen seines schwierigen Charakters gemieden. Als Besitzer eines kleinen Ladens für fotografische Artikel starb er 1959. In Unkenntnis der anderen Filme Oswalds aus dieser Zeit verbiete ich es mir, allzu kategorisch zu sein, aber ein Großteil der Raffinesse und des Erfindungsreichtums in CAGLIOSTRO scheint mir der Arbeit Krugers zu verdanken zu sein.
Entstanden in den letzten Monaten des Jahres 1928, kam CAGLIOSTRO in Berlin am 8. April 1929 heraus und wurde in Paris am 21. Juni 1929 gestartet. Das deutsche Publikum entdeckte den Tonfilm am 4. Juni (THE SINGING FOOL), das französische am 15. Mai (BROADWAY MELODY). Eine neue Seite der Filmgeschichte war aufgeschlagen. CAGLIOSTRO geriet in Vergessenheit.
Übersetzt von Ralph Eue
Dem Artikel zugrunde liegt eine Sichtung des Films gemeinsam mit Jean Dréville und Vincent Pinel in der Cinémathèque française in Paris am 20.4.1990 sowie ein Gespräch mit Eugène Lourié in Hollywood am 23.6.1981.
Bibliografie
Jean Dréville
- 40 ans de cinéma. Paris: Editions Dujarric 1985.
- Restaurations et tirages de la Cinémathèque française IV. Paris: La Cinémathèque française 1989.
Über die Dreharbeiten:
- Jean Dréville: Quelques-uns des beaux mais étranges décors de Cagliostro. In: On tourne, 1929.
- Marcel Carné: Lorsque Richard Oswald tournait Cagliostro. In: Cinémagazine, Nr. 21, 24.5.1929.
- Gilbert Flamand: On tourne Cagliostro. In: Cinéa-Ciné pour tous, Nr. 124, 1.1.1929.
- Marcel Carné: La vie à belles dents. Paris: Olliviers 1975.
Kritiken:
- Georg Herzberg in: Der Film-Kurier, Nr. 84, 9.4.1929.
- (Hans Walther) Betz, A(rthur) Kossowsky in: Der Film, Nr. 15, 13.4.1929.
- L(ucie) D(erain) in: La Cinématographie française, Nr. 551, 25.5.1929.
- Ed(mond) E(pardaud) in: Cinéa-Ciné pour tous, Nr. 134, 1.6.1929.
Hinweis des Übersetzers: Über den komplexen Zusammenhang von Beleuchtungstechniken mit dem Aufkommen des panchromatischen Films kann man bei Jean Renoir, »Mein Leben Meine Filme« noch folgendes nachlesen: »Dieses Suchen nach übertriebenen Kontrasten, diese Sucht, vom reinsten Schwarz zum strahlendsten Weiß überzugehen, das war an dem Tag vorbei, an dem ich das panchromatische Filmmaterial für mich entdeckte. Ich hatte meine ersten Filme gedreht, ohne zu wissen, daß alle Kameraleute der Welt für Innenaufnahmen orthochromatisches Material verwendeten, das heißt, ein Material fast ohne Nuancen mit reinen Schwarz- und Weißtönen. Sobald man aber die Ateliertür hinter sich schloß und auf der Straße arbeitete, ging man zu nuancenreichem panchromatischem Film über, der die Rots, die Blaus und die Gelbs, alle Farben des Spektrums durch Grautöne von unterschiedlicher Intensität wiedergab. Die Beleuchtung in den Ateliers stammte aus den ersten Anfängen des Kinos und bestand vor allem aus Merkurlampen, die sich für das orthochromatische Filmmaterial als ungünstig erwiesen hatten. Aber das Sonnenlicht im Freien war von einer ganz anderen Beschaffenheit, mit ihm konnte man aus diesem Material alle Nuancen herausholen. (...) Leider gab es keine elektrische Ausrüstung, die die Verwendung des panchromatischen Materials auch bei Innenaufnahmen erlaubt hätte.«
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