Reihe CineGraph Buch

Hans-Michael Bock, Claudia Lenssen (Redaktion):

Joe May. Regisseur und Produzent

München: edition text + kritik 1991
198 Seiten, 48 Abbildungen
DM 32,- / öS 234,- / sfr 29,50
ISBN 3-88377-394-8


Joe May war ein Filmpionier, ein Tausendsassa des Films: Regisseur, Autor, Produzent - und ein ausgefuchster Werbestratege. Er gilt als einer der produktivsten und anregendsten Regisseure des Weimarer Kinos. Er hat Genres nicht nur publikumswirksam genutzt, er hat Genres kreiert. Zeit seines Lebens erwies sich Joe May als geschickter Verfertiger von Publikumsfilmen, dem immer wieder Werke gelangen, die wichtige Schritte in der Entwicklung der Filmkunst darstellen. An seiner Karriere lassen sich wesentliche Stationen der deutschen Filmindustrie ablesen; denn neben dem fleißigen Regisseur hat auch der Produzent Joe May, Inhaber einer eigenen Filmfabrik und Produktionsleiter der Ufa, Filmgeschichte geschrieben.

Joe May - am 7. November 1880 als Julius Mandl in Wien geboren - kommt durch seine Frau, die Schauspielerin Mia May, 1911 in Hamburg zum erstenmal mit dem Film in Berührung. In Berlin macht er schnell Karriere. Er entwickelt den Detektivfilm, mischt in seinen Filmen Elemente des Abenteuer- und Sensationsfilms mit Komödiantischem. Ende der 10er Jahre orientiert sich May an den Wünschen des kriegsmüden deutschen Publikums, verliert aber dabei den internationalen Markt nicht aus den Augen: Er wird Produzent und Regisseur von opulenten Ausstattungsfilmen mit großen Schaureizen: der Episodenfilm VERITAS VINCIT (1918/19), der stilistisch abwechslungsreiche 8-Teiler DIE HERRIN DER WELT (1919), der klassische Exotik-Film DAS INDISCHE GRABMAL (1921). Der Kritiker Willy Haas nennt ihn den »König der Supermonumentalfilme«. May arbeitet bei seinen Filmen mit einem festen Stamm von künstlerischen und technischen Mitarbeitern, zu seinen Entdeckungen gehören neben E. A. Dupont die Autorin Thea von Harbou und der Regisseur Fritz Lang.

Mit Beginn der 20er Jahre spezialisiert sich May auf Melodramen und Gesellschaftsfilme. Glänzend besetzte, technisch versierte, auch immer wieder fotografisch innovative Filme entstehen; HEIMKEHR (1928), nach der Novelle »Karl und Anna« von Leonhard Frank, und die brillante Ufa-Produktion ASPHALT. DER POLIZEIWACHTMEISTER UND DIE BRILLANTENELSE (1928/29) sind psychologisch angelegte, auf wenige Personen konzentrierte Melodramen.

Im Tonfilm erweist sich May als Spezialist leichter Unterhaltung für den europäischen Markt, der in Filmen wie der spritzigen Komödie IHRE MAJESTÄT DIE LIEBE (1930) geschickt seinen in der Stummfilmzeit erworbenen Fundus dramaturgischer und technischer Mittel plündert. 1933 geht Joe May ins Exil. Er muß sich zunächst mit Gelegenheitsarbeiten durchbringen, 1934 holt ihn Erich Pommer nach Amerika. Mit Billy Wilder als Co-Autor entsteht der erste Hollywood-Film unter maßgeblicher Beteiligung von Emigranten aus Nazi-Deutschland: MUSIC IN THE AIR. Ende der 30er Jahre hält sich May als Regisseur von B-Pictures über Wasser. Mit Fritz Kortner und einem Ensemble deutscher Exilanten entsteht 1943 der Anti-Nazi-Film THE STRANGE DEATH OF ADOLF HITLER. 1949/50 realisiert May seinen letzten Film. - Joe May starb am 29. April 1954 in Hollywood.

Inhalt

  • Jörg Schöning: Die Fahrt nach Hamburg oder: Wie May in die Filmgeschichte kommt
  • Thomas Elsaesser: Filmgeschichte - Firmengeschichte - Familiengeschichte. Der Übergang vom Wilhelminischen zum Weimarer Film
  • Claudia Lenssen: Rachedurst und Reisefieber. DIE HERRIN DER WELT - ein Genrefilm
  • Heide Schlüpmann: Wahrheit und Lüge im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit. Detektiv und Heroine bei Joe May
  • Karen Pehla: Joe May und seine Detektive. Der Serienfilm als Kinoerlebnis
  • Jürgen Kasten: VERITAS VINCIT und DAS INDISCHE GRABMAL. Dramaturgie des Monumentalen
  • Annette Kilzer: TRAGÖDIE DER LIEBE. Milieu und Magie
  • Hermann Kappelhoff: ASPHALT. Kalkül im Detail
  • Jochen Meyer-Wendt: DER FARMER AUS TEXAS. Kolportage als Erzählkino
  • Matias Bleckman: IHRE MAJESTÄT DIE LIEBE. Jongleurakt mit den Genres
  • Klaus Kreimeier: David und Goliath. Joe May und die Ufa
  • Heike Klapdor: »A Man Who Has Lerned His Lesson«. Joe May im amerikanischen Exil
  • Hans-Michael Bock: Ein Instinkt- und Zahlenmensch. Joe May als Produzent und Regisseur in Deutschland
  • Ronny Loewy: Die Fallhöhe des Exils. Joe Mays Arbeit in den Filmstudios von Los Angeles
  • Hans-Michael Bock: Filmografie, Bibliografie

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