Reihe CineGraph Buch
Jörg Schöning (Redaktion):
London Calling. Deutsche im britischen Film der dreißiger Jahre
München: edition text + kritik 1993
172 Seiten, 33 Abbildungen
DM 32,- / öS 234,- / sfr 29,50
ISBN 3-88377-445-6
Dies CineGraph Buch spürt einer Personengruppe nach: den deutschen Filmschaffenden im britischen Kino der 30er Jahre, zu denen auch die vielen Immigranten aus Osteuropa und der zerfallenen k.u.k.-Monarchie gehörten. Anders als in Deutschland hatte sich in England nie eine starke nationale Filmindustrie entwickelt. Der »Cinematograph Act« von 1927 verpflichtete jedoch Kinos und Verleihfirmen zur Abnahme eines bestimmten Kontingents einheimischer Filme; London wurde dadurch neben Berlin und Paris zur dritten europäischen Filmmetropole von Rang. Hierauf war die britische Filmindustrie allerdings nicht vorbereitet. Regisseure, Techniker und Schauspieler vom Kontinent wurden angeworben, vor allem aus Deutschland. So kamen u.a. E. A. Dupont, Lupu Pick, Géza von Bolvary und Henrik Galeen nach London, um in britischen Ateliers europäische Filme für den internationalen Markt zu drehen.
Als nach 1929 der Ton den Film wieder auf die nationalen Grenzen zurückwarf, gab es Pläne, London zum europäischen Zentrum für Mehrsprachenproduktionen zu machen. Erneut gingen viele Schauspieler und Regisseure nach London. Doch die Mehrsprachenproduktion wurde schon 1931 zugunsten der Synchronisation weitgehend eingestellt. 1933/34 begann die zweite Phase des britischen Films, ausgelöst durch Erfolge auf dem amerikanischen Markt. Die Produktion stieg sprunghaft an, London entwickelte sich zum bedeutendsten europäischen Filmzentrum. Diesmal folgten die meisten Deutschen dem Ruf nach London nicht freiwillig, sondern weil in Nazi-Deutschland kein Platz mehr für sie war. So kam es, daß Mitte der 30er Jahre Engländer und Deutsche, Österreicher und Ungarn gemeinsam versuchten, in London ein multikulturelles Produktionszentrum nach dem Vorbild Hollywoods aufzubauen. Doch schon 1937 ging infolge mehrerer Firmenpleiten die Filmproduktion drastisch zurück; ausländerfeindliche Töne häuften sich. Für die Mehrzahl der Emigranten blieb London eine Zwischenstation; dessenungeachtet haben aus Deutschland emigrierte Regisseure, Autoren und Komponisten, Produzenten, Techniker und Schauspieler die englischen Filme der 30er Jahre nachhaltig beeinflußt: die Schauspieler Conrad Veidt, Dolly Haas und Fritz Kortner, die Kameraleute Günther Krampf, Curt Courant und Eugen Schüfftan, die Szenografen Alfred Junge, Oscar Werndorff und Ernö Metzner, die Komponisten Hanns Eisler, Karol Rathaus und Ernst Toch, die Regisseure Lothar Mendes, Hans Brahm und Berthold Viertel.
Inhalt
- Elstree Talk. Dokumente von Karl Ritter, O. F. Werndorff, Kurt Schröder, Alfred Zeisler, Günther Krampf
- Thomas Elsaesser: Heavy Traffic. Perspektive Hollywood: Emigranten oder Vagabunden?
- Andrew Higson: Way West. Deutsche Emigranten und die britische Filmindustrie
- Tim Bergfelder: Rooms with a View. Deutsche Techniker und der Aufstieg des Filmdesigners
- Thomas Brandlmeier: »Rationalization First«. Deutsche Kameraschule im britischen Film
- Richard Falcon: No Politics! »German Affairs« im Spionage- und Kostümfilm
- Daniela Sannwald: Continental Stranger. Conrad Veidt und seine britischen Filme
- Jörg Schöning: All Hands Abroad. Kleines Lexikon deutschsprachiger Filmschaffender in Großbritannien 1925-1945
- Gerke Dunkhase: Ausgewählte Filme 1928-1938
Andere Bände der Reihe