FilmMaterialien 10 - Der komische Kintopp.
Worüber lachen die Leute?
Karlchen
in: Film-Kurier, Nr. 21, 29.6.1919
Karl Viktor Plagge, der Lustspielstar des Bioskop, sendet uns folgende interessante Ausführungen zu dem Thema "Worüber lachen die Leute?"
Wenn mein Kollege Charlie Chaplin ernsthafte Studien angestellt hat, worüber die Leute lachen, dann ist das eigentlich merkwürdig. Denn nach meinen Erfahrungen lohnt es sich gar nicht darüber nachzudenken. An sich genügt es, daß die Leute überhaupt lachen, dann habe ich den Erfolg und kann von meinem Direktor sofort ein höheres Spielhonorar verlangen.
Das ist dann allerdings eine Angelegenheit, die absolut nicht zum Lachen ist, selbst wenn die beantragte Erhöhung nur lächerlich gering ist.
Worüber die Leute lachen, ist doch eigentlich egal. Die Hauptsache ist, daß sie überhaupt lachen. Da ich selbst Partei bin, habe ich den Leiter unserer Presseabteilung gefragt, warum die Leute bei meinen Lustspielen so lustig sind, und der glaubte, daß das immer von Fall zu Fall, verschieden sei. Vor allen Dingen läge das an meinem intelligenten Gesichtsausdruck, der wäre geradezu dämlich. Dann aber sprach er von Situationskomik.
Ich weiß wohl, was ein Komiker ist, und ich bin auch schon in den unglaublichsten Situationen gewesen und weil da manchmal Damen dabei waren, so glaube ich, das Situationskomik und "däm"-lich in einen gewissen Zusammenhang zu bringen ist.
Manchmal lachen die Leute an Stellen, bei denen mir gar nicht lächerlich zumute war.
In einem Film mußte ich stundenlang in einem sehr defekten Strolchkostüm bei großer Kälte und bei hohem Schnee an der Litfaßsäule herumlaufen. Darüber lachen dann die Leute, während ich geflucht und geschimpft habe. Das sieht man ja auf dem Film nicht; aber wenn man's sehen könnte, würden die Leute noch mehr darüber lachen.
In meinem letzten Film flüchte ich vor meiner Braut und springe dabei vom zweiten Stock auf die Straße. Das macht den Leuten Spaß, mir aber brachte es einen verstauchten Arm sowie Krach mit meiner Frau. Die behauptet nämlich, ich wäre nur im Bilde vor meiner hübschen Partnerin geflohen, hätte aber abends im Klub "Bühne und Film" recht vergnügte Stunden mit ihr verlebt. Das ist natürlich eine Gemeinheit. Aber wenn eine Frau sich erst einmal so etwas eingeredet hat, können es ihr zwanzig Männer nicht wieder ausreden.
Eigentlich ist es gar nicht richtig, daß wir Künstler uns darüber ärgern, weshalb sich das Publikum amüsiert. Das müßten unsere Kinobesucher doch viel besser wissen. Ich empfehle deshalb eine Rundfrage beim Publikum. Vielleicht machen sich die Leute ausnahmsweise einmal klar, worüber sie immer eine große Freude haben.
Aber tun Sie das lieber auch nicht, denn wenn man das Lustspiel mit dem Verstand zergliedert, kann man leicht zu den merkwürdigsten Resultaten kommen.
Eigentlich ist es ja auch ganz egal, worüber gelacht wird. Die Hauptsache ist, daß man jene herzerquickenden Geräusche vernimmt, die uns für unsere Arbeit belohnen.
Wenn Sie sich meinen neuesten Film ansehen, werden Sie bestimmt lachen, vielleicht tun Sie das und schreiben dann selbst über unser Thema. Ich sehe nicht ein, daß ich Ihnen lange Gratisartikel schreibe, während Ihre Redakteure spazieren gehen.
Arbeiten und nicht verzweifeln!
Zerbrechen Sie sich selbst den Kopf, verehrte Schriftleitung, meiner ist mir zu schade dazu.
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