FilmMaterialien 5 - Phil Jutzi
Die »Pause«
Von Piel Jutzi
in: Film-Kurier, Nr. 32, 7.2.1931
Von ebenso großer Wichtigkeit wie Tempo, Stärke oder Zartheit für die Wirkung eines Films sind die Pausen. Ich meine natürlich nicht die unfreiwilligen Pausen, die sogenannten Löcher, wie sie leider in vielen Filmen vorkommen, sondern die beabsichtigte, eine ganz bestimmte Wirkung herausholende Pause. Stärkste und größte Wirkung kann mit der Pause geschaffen werden, wenn sie angewandt wird vor dem Eintritt eines »großen Ereignisses« oder einer »Katastrophe«, wenn Ereignis oder Katastrophe vorgeahnt werden sollen oder fiebernd »herbeigefürchtet« werden, wenn die Zeit stillzustehen scheint, wenn die Entscheidung herannaht. Dann hat die Pause ihre großen Möglichkeiten. Die Spannung kann mit ihrer Hilfe zur höchsten Auswirkung gebracht werden und in der völligen Stille des Tones ihre Spitze erhalten. Aber sie muß in solchem Falle mit äußerster Vorsicht angewandt werden, sie schlägt - um ein weniges übertrieben - in das Gegenteil um.
Sodann kann die Pause zum Ausruhen verwandt werden. Wenn starke Anforderungen an die Zuschauer gestellt wurden in Bezug auf Aufmerksamkeit und Nervenreiz, wenn die Hochspannung sich gelöst hat, dann ist die Pause richtig angewandt wirkend, - wie ein erfrischendes Bad in einem klaren Bergsee nach langen Strapazen. Eine sogenannte Passage kann zur wundervollen Pause werden. In solcher Pause müssen die Gefühle abklingen.
Dies gilt auch für Fälle, in denen - was allerdings selten ist - die Lachmuskeln der Zuschauer zu stark strapaziert wurden. Große Wirkungen können auch mit der Pause erzielt werden im Auslassen - Ahnenlassen. Es gehört aber eine große Portion psychologische Fähigkeit dazu, um das richtige Maß zu treffen.
Beim Tonfilm muß auf die Pause viel stärker Rücksicht genommen werden als beim Stummfilm, weil ja hier die Zuschauer bestimmt physisch weit mehr angestrengt werden durch Sehen und Hören. Die Feststellung, wie weit einer Pause überhaupt Raum zu geben ist, kann nicht schon im Manuskript getroffen werden, sondern erst beim Schnitt des Filmes.
Mit der Pause ist es wie mit einer schönen Frau. Wenn wir sie sehen im Vorübergehen, so scheint sie uns vollkommen schön, wenn sie aber stehenbleibt, so daß wir sie länger betrachten müssen, dann kommt langsam in uns das Gefühl auf, daß ihre Schönheit doch irgendwo einen Mangel habe, und sehen wir dann noch länger hin, dann entdecken wir sogar ihre Fehler - und sind verstimmt.
Noch eins - wenn die völlige Stille des Tones, wie sie jetzt oft leider bei jeder »passenden« Gelegenheit auch weiter so freigiebig angewandt wird, so daß es oft scheint, als ob Regisseur und Autor nichts Besseres eingefallen wäre, dann wird dieses Mittel bald völlig verloren haben.
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