FilmMaterialien 5 - Phil Jutzi

Der Film vom Franz Biberkopf

Von Alfred Kantorowicz

in: Die literarische Welt, Nr. 42, 16.10.1931


Dieser mit großen Hoffnungen erwartete Film BERLIN - ALEXANDERPLATZ. DIE GESCHICHTE VOM FRANZ BIBERKOPF ist ein Spielfilm; eine programmatische Bedeutung kommt ihm nicht zu.

Man hat Szenen aus dem an das Kriminalistische grenzende Leben und Schicksal des Berliner Arbeiters Franz Biberkopf gedreht. Das Filmmanuskript von Alfred Döblin und Hans Wilhelm legt alles Gewicht auf die Lebensgeschichte dieses Biberkopf: fast nichts bleibt übrig für Berlin-Alexanderplatz. Im Roman wurde die Atmosphäre von Berlin N und O dicht und glaubhaft: schon sprachlich war die Dynamik der Weltstadt fühlbar. Davon ist im Film außer einigen uncharakteristischen Montagen nichts geblieben.
Es handelt sich um einen Mann, der im Gefängnis gesessen hat und nicht wieder hochkommt. Warum er nicht wieder hochkommt, ist nicht verständlich, trotz seiner Beteuerung, daß er alles versucht habe, sich wieder ehrlich durchs Leben zu schlagen. Die Stationen dieser Versuche hätten dargestellt werden müssen, denn gerade dieser Film hatte die Verpflichtung und die Möglichkeit, Stationen der sozialen Verelendung, des vergeblichen, redlichen Existenzkampfes aufzuzeigen. Das Schicksal hätte zwangsläufig sein müssen. Hier erscheint es als eine Kette von Zufällen, Intrigen, Liebesaffären. Selbst das psychologische Moment, Biberkopfs Hörigkeit, die ihn an den Verbrecher Reinhold bindet, ist hier in keiner Weise glaubhaft gemacht worden.

Ein Schicksal kann dramatisch komponiert werden aus Episoden; hier ist ein Schicksal aufgelöst in Episoden, denen eine zwingende innere Kontinuität fehlt. Wenn schon nicht »Berlin - Alexanderplatz« gedreht wurde, so hätte es doch ein Filmdrama »Franz Biberkopf« werden müssen; es ist aber ein Spielfilm geworden mit einigen guten Einzelszenen.

Dies ist vor allem auch der Regie zu Lasten zu legen.

Der Regisseur Phil Jutzi hat gute Einfälle und Aufnahmen zusammengeflickt, anstatt sie zu komponieren. Das Ganze hat keinen Zusammenhalt, es sei denn in der Figur des Hauptdarstellers Heinrich George.


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