FilmMaterialien 8 - Siegfried Arno
Beef und Steak
Der Versuch einer deutschen Filmgroteske
von Heinrich Braune
aus: Hamburger Echo, 24.8.1929.
Mit Max Linder starb die deutsche Filmgroteske. Seitdem existiert diese Filmkategorie nur in Amerika, wenn man absieht von den beiden Dänen Pat und Patachon, die sich bemühen, ein kleinbürgerliches Milieu aufzuheitern.
Bei uns gibt es nur sogenannte Lustspiele, die aber nur sentimental und deren Witze von gestern sind. Filme, in denen der glückliche Ein- und der göttliche Zufall den bedrängten Darstellern Regisseur und Helfer in allen Nöten sind, Filme, in denen der bemitleidenswerte Schauspieler wie ein blinder Fechter sich aufgeregt tausend Meter hindurch verteidigen muß gegen alle widrigen Tücken des Daseins, wie ein Lachs sich abmüht, einen Wasserfall bergauf zu schwimmen, solche unbekümmerten, in ihrer Logik zwar gewagten, aber trotz allem mit befreiendem Lachen quittierten Grotesken, die gibt es nur in Amerika.
Nun haben Siegfried Arno und Kurt Gerron versucht, mit den Keaton und Lloyd in Edelkonkurrenz zu treten. Der Film AUFRUHR IM JUNGGESELLENHEIM ist der Start zur deutschen Filmgroteske der Beef und Steak, wie sich die beiden nennen. Aber die Tradition des Berliner Lustspiels ist allen so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, daß es lange Zeit brauchen wird, ehe sich ein neuer Stil herausgebildet hat. Daran kann auch der Regisseur Manfred Noa nichts ändern; denn es muß erst die spezifisch groteske Atmosphäre gefunden sein, in der alles mit derselben Notwendigkeit komisch wird, wie Landratten an Bord seekrank. Solange dieses gewisse Etwas fehlt - und noch fehlt es! -, bleibt aller Humor mühsam und erdacht, ausgetüftelt. Man bewundert die Intelligenz, die diese Zufälle erfand wie ein kompliziertes Kreuzworträtsel, aber man kann sich nicht so unbekümmert weglachen, wie bei jenen Amerikanern.
Und dabei ist die Geschichte gewiß komisch: Beef und Steak sind zwei erfinderische Schmarotzer, die eine sentimentale Tante nach allen Regeln der Kunst ausbeuten und dafür büßen müssen. Hart, härter, am härtesten.
Wenn die beiden so den gewiß amüsanten, erfrischenden Typ des amoralischen Nichtsnutz herausbilden wollen, gut, aber dann müssen sie konsequent sein und dürfen sich am Schluß nicht verheiraten. Ihre Laufbahn verlangt Opfer! Sie müssen stillweinend verschwinden, wie Adam und Eva aus dem Paradies, herausgeworfen von der ausgleichenden Gerechtigkeit. Aber man muß die Hoffnung mitnehmen, daß sie bald wiederkommen, wieder die moralische Gesellschaft an der Nase herumführen, wieder geschnappt werden und so ad infinitum. Nur immer besser, immer gewiefter und verschlagener, nicht mehr Beef und Steak, sondern ein unteilbares Beefsteak, an dem man sich die Zähne ausbeißen kann.
Aber kommen sie wirklich wieder?
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