Als die Bilder singen lernten. Materialien zum 11. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 5. - 8. November 1998.

Schafft die deutsche Tonfilm-Operette!

Möglichkeiten, die niemand ausnutzt

in: Licht-Bildbühne, 16.1.1930


Vor kurzem erfuhr man, daß sich Franz Lehár nun doch zum Tonfilm bekannt und nach langem Zögern eingewilligt habe, für Gloria Swansons neuesten Film QUEEN KELLY einen großen Walzer und mehrere Lieder zu komponieren.

So erfreulich auch die Tatsache an sich ist, daß ein Mann von der Bedeutung Lehárs die Wichtigkeit und Zukunft des Tonfilms erkannt hat, so betrüblich ist doch die Feststellung, daß Lehárs erste Tat für den Tonfilm nicht Deutschland, sondern Amerika gilt. Und so wie er, haben auch unsere anderen Komponisten - Emmerich Kalman, Oscar Straus, Jean Gilbert, usw. - bisher mit dem deutschen Tonfilm wenig zu tun gehabt. Diese Schuld liegt aber nicht bei ihnen!

Man richte den Blick einmal nach Amerika. Dort hat sich schon seit vielen Monaten die hundertprozentige Tonfilm-Operette glänzend durchgesetzt. Sie wir von den bedeutendsten Librettisten der Staaten textiert, von den prominentesten Komponisten vertont und ganz so gewertet und ernst genommen wie bisher die großen Bühnen-Operetten.

Warum, so fragt man sich, ist das eigentlich noch nicht bei uns der Fall, warum haben die führenden Produzenten noch nicht versucht, auch hier die Tonfilm-Operette zu schaffen, sondern sich bisher mit Tonfilmen begnügt, in denen ein einziges, musikalisches nicht einmal umwerfendes Lied vorkam, das bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten gesungen, gespielt, aber vergeblich zum Erfolg forciert wurde?!

Warum setzen sich denn nicht wirklich einmal ein paar gute Librettisten hin und schreiben ein hübsches Buch mit witzigen Dialogen und amüsanten Situationen, warum nimmt sich nicht ein Komponist von Rang das fertige Libretti vor, vertont es, schafft ein paar neue Schlager, mit denen er vom Lichtspielhause aus die Massen weitaus leichter erobern kann als vom Theater, das infolge seiner höheren Preisgestaltung ja doch nur einem be-grenzten Publikum zugänglich ist.

Schon heute kommt in Amerika die Premiere einer neuen Tonfilm-Operette an Wichtigkeit und Bedeutung einer Theaterpremiere gleich. So soll es auch in Berlin, in Deutschland sein. Zieht man in Betracht, daß die Aufführungsdauer der Tonfilm-Operette die Spielzeit einer Bühnen-Operette beträchtlich übertreffen kann - schon weil hier der abendliche Etat an Gagen usw. entfällt -, daß ferner die Hersteller sämtliche, in der Tonfil-moperette gesungenen Schlager selbst verlegen, für den Musikalienhandel, die Schallplatten usw. auswerten können, so kommt man zu dem Ergebnis, daß das geschäftliche Resultat bestimmt ein außerordentlich günstiges, zufriedenstellendes sein wird.

Man beklagt sich oft darüber, daß Amerika den Markt mit seinen Tonfilmen überschwemmt. Ist es nicht ganz natürlich, daß das Publikum in die großen amerikanischen Tonfilm-Operetten und Tonfilm-Revuen rennt, weil ihm ja hier Ausstattung, Musik, Tanz, Gesang geboten werden, Eindrücke für das Auge und Ohr, die über das Fremdsprachliche forthelfen.

Sollten wir das nicht wirklich auch können! Haben wir nicht die Leute dazu, solche Filme zu schaffen? Wir haben sie, und es ist die Aufgabe der Tonfilm-Produzenten, sie zur Schaffung der großen, deutschen, internationalen Tonfilm-Operette und Tonfilm-Revuen zusammenzuschließen!


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