CineGraph - Lexikon zum deutschsprachigen Film.
Comedian Harmonists - Vokalensemble, DarstellerBiografie
Die Comedian Harmonists entstehen auf Grund einer Suchanzeige im Berliner Lokal-Anzeiger vom 29. Dezember 1927, die der Schauspielschüler Harry Frommermann aufgegeben hat. Nach dem Vorbild des amerikanischen Vokalensembles The Revellers bildet sich im Winter 1927/28 in der Stubenrauchstraße 47 in Berlin-Friedenau die Gesangsgruppe The Melody Makers, zu der zunächst außer Frommermann der Bassist Robert Biberti, die Tenöre Ari Leschnikoff und Walter Nußbaum sowie der Pianist und Bariton Theodor Steiner gehören. Die erste gemeinsame Probe findet am 16.1.1928 statt. Nach Steiners Ausscheiden im Mai 1928 wird der Bariton-Part von Roman Cycowski übernommen, das Piano von Erwin Bootz, der auch Arrangements und Kompositionen zusteuert und sich zeitweise ums Geschäftliche kümmert. Im März 1929 wird Nußbaum als zweiter Tenor durch Erich Collin ersetzt.
Harry Frommermann - Max Harry Frommermann, geboren am 12. Oktober 1906 in Berlin, Sohn des Oberkantors Alexander Frommermann und dessen Frau Leonie. Der Vater stammt aus der Ukraine, hat in Frankfurt Gesang studiert, anschließend gründet er in Berlin die "Erste Internationale Kantorenschule", singt im Philharmonischen Chor und ist Kantor der jüdischen Brüdergemeinde Neukölln. Noch während der Schulzeit erhält Harry Unterricht in Musiktheorie und Klavierspielen, er spielt und inszeniert bei Schüleraufführungen. 1922 beginnt er eine Lehre in der Damenkonfektion, die er - nach dem Tod des Vaters - zwei Jahre später abbricht. Ab 1925 studiert er an der Staatlichen Schauspielschule u.a. bei Leopold Jeßner und Carl Ebert. 1926 wird er Schauspiel-Eleve an der Volksbühne, wo er sich u.a. mit Alexander Granach anfreundet.
Robert Biberti - Robert Biberti, geboren am 5. Juni 1902 in Berlin, Sohn des Kammersängers Georg Robert Biberti (ursprünglich Bibert) und seiner Frau Emilie, die als Klavierlehrerin und Kinopianistin arbeitet. Der ältere Bruder Leopold (1894-1969) wird Schauspieler in Deutschland und der Schweiz. Robert besucht das Städtische Gymnasium und die Realschule in Charlottenburg. Nach der Schulzeit ist er Chorsänger, u.a. am Theater im Admiralspalast und an der Städtischen Oper. Arbeitslos singt er auch auf Hinterhöfen. Im Herbst 1927 erhält er ein Engagement im Großen Schauspielhaus, wo er Cycowski und Leschnikoff kennenlernt.
Ari Leschnikoff - Asparuch Leschnikoff, geboren am 16. Juni 1897 in Haskovo bei Sofia (Bulgarien, damals Teil des Osmanischen Reichs), Sohn des örtlichen Postmeisters und einer Lehrerin. Bereits während der Volksschulzeit wird sein außerordentliches Gesangstalent entdeckt und er singt als Sopran im Kirchenchor. 1908-16 Besuch des Gymnasiums in Haskovo, anschließend - aus finanziellen Gründen - auf der Kadettenschule in Sofia. 1917 wird er Fähnrich, im folgenden Jahr Kavallerie-Leutnant an der Front. 1920 wird er demobilisiert. Auf Vermittlung des Militärkapellmeisters Georgi Atanasov studiert er beim Opernsänger Ivan Vulpe Gesang. 1922 geht er nach Berlin, wo er zunächst als Kellner arbeitet (dabei lernt er auch Erwin Bootz kennen). Für ein Studium am Stern'schen Konservatorium (1923-26) gewinnt er ein Stipendium. 1926 erhält er einen Vertrag als Chorsänger am Großen Schauspielhaus, wo er u.a. auch Cycowski und Biberti kennenlernt, durch den er zu den Comedian Harmonists stößt.
Roman Cycowski - Josef Roman Cycowski, geboren am 24. Januar 1901 in Tussyn bei £odz, Sohn eines orthodox-jüdischen Besitzers einer Spinnerei, die im Ersten Weltkrieg zerstört wird. 1909-14 Besuch der Talmudschule in Piotrkow, wo er auch Gesangsunterricht erhält. 1920 kommt Cycoski als Ladengehilfe in einer Eisenwarenhandlung nach Beuthen (Oberschlesien). Nach einem Vorsingen wird als als Chorsänger an das Stadttheater Beuthen engagiert, anschließend an der Waldoper Zoppot, in Danzig, Stralsund, Bad Oeynhausen. 1923-15 in Guben, singt er bereits große Opernpartien (u.a. Wolfram in "Der Tannhäuser"), dann in Cottbus und Rostock. 1926 geht er nach Berlin, um seine Stimme durch Unterricht zu vervollkommnen. Im September 1927 wird er als Chorsänger bei Erik Charell am Großen Schauspielhaus engagiert, wo er Biberti und Leschnikoff trifft.
Erwin Bootz - Erwin Bootz, geboren am 30. Juni 1907 in Stettin, eines von sieben Kindern von August Bootz, der mit seiner Frau Martha, geb. Brandstetter, ein Geschäft für Musikalien, Grammophone und Schallplatten betreibt. Während der Schulzeit erhält er Klavierunterricht. Bereits 1920 absolviert er die Aufnahmeprüfung am Loewe-Konservatorium in Stettin. Anschließend studiert er in der Meisterklasse der Musikhochschule Berlin, die er 1928 mit Auszeichnung absolviert.
Erich A. Collin - Erich Abraham, geboren am 26. August 1899 in Berlin, Sohn des wohlhabenden und sozial engagierten Kinderarztes Dr. Paul Abraham und seiner Frau Elsbeth, geb. Collin. Die Eltern wie ihre drei Kinder sind protestantisch getaufte Juden. 1904 werden die Eltern geschieden. Erich wächst mit seinen Schwestern bei der Mutter auf und übernimmt auch ihren Mädchennamen. Erich Collin besucht das Mommsengymnasium, wo ihn vor allem Musik und Kunst interessieren. Er hat privaten Violin-, später auch Gesangsunterricht. Nach dem Abitur erhält er eine Militärausbildung, kommt aber nicht mehr an die Front. Nach Kriegsende beginnt Collin auf Wunsch des Vaters ein Medizinstudium, das er nach dem Physikum abbricht, anschließend arbeitet er ein Jahr lang in einer Bank. Nach dem Tod des Vaters beginnt Collin ein Studium an der Hochschule für Musik, die er 1924-27 besucht. 1928 stößt er auf Vermittlung von Bootz als zweiter Tenor zu den Comedian Harmonists.
Die Comedian Harmonists machen am 10.5.1928 erste Schallplattenaufnahmen bei der Deutschen Grammophon, die jedoch unveröffentlicht bleiben. Nach intensiver Probenarbeit - u.a. in der Wohnung von Asta Nielsen in der Kaiserallee (Bundesallee) - werden sie von Erik Charell engagiert, um im Großen Schauspielhaus im Rahmen seiner Operetten-Revue "Casanova" als spanische, böhmische und venezianische Musikanten zwischen den Akten aufzutreten. Charell gibt ihnen den Namen Comedian Harmonists. Die Revue läuft erfolgreich vom 28.9.1928 bis Ende Februar 1929. Gleichzeitig treten sie mit "Pendelerlaubnis" ab dem 16.10.1928 im Programm des Kabarett der Komiker auf und werden als "deutsche Revellers" und "Sensationserfolg" gefeiert. Sie singen in Matineen und Nachtbars, am 1.3.1929 erstmals außerhalb Berlins im hamburger Hansa-Theater. Im Frühjahr 1929 kommt es wegen des Wechsels von Nußbaum zu Collin zu einer mehrmonatigen Auftrittspause.
Nach Schallplatten-Aufnahmen ihrer "Casanova"-Intermezzi für die Electrola erhalten die Comedian Harmonists am 22.10.1928 einen Jahresvertrag bei der Carl Lindström AG, die ihn dann nicht verlängert. Stattdessen schließen sie am 31.10.1929 einen für die Gruppe sehr günstigen Exklusiv-Vertrag mit der Electrola ("His Master's Voice") über garantierte 30 Titel pro Jahr. Außerdem treten sie im Rundfunk auf und machen Gastspielreisen mit dem "Tempo-Varieté" durch Deutschland. Am 5.9.1929 hat das musikalische Lustspiel "Zwei Krawatten" von Georg Kaiser Premiere, in dem neben Hans Albers und Marlene Dietrich auch die Comedian Harmonists auftreten, für die Mischa Spoliansky speziell einige Nummern komponiert hat.
1930 leitet Erwin Bootz mit einem seiner Soloprojekte einen neuen Aspekt der künstlerischen Aktivitäten der Comedian Harmonists ein - den Film. Für Robert Siodmaks kleines Drama in einer Familienpension, ABSCHIED, schreibt er mit seinem Stammtexter Gerd Karlick zwei Lieder und tritt selbst (unter seinem eigenen Namen) als klavierspielender Gast der Pension auf. Außerdem schreibt er für den Hans Albers-Film HANS IN ALLEN GASSEN einige Songs mit Rudolf Frank. Diese Ausflüge ermutigen wohl auch Bootz, Anfang 1931 die Gruppe vorübergehend zu verlassen, er kehrt jedoch nach einem halben Jahr zurück. (In der Zwischenzeit wird er durch den Pianisten Walter Joseph ersetzt, der u.a. mit Rudolf Nelson dessen Revuen begleitet hat.)
Gemeinsam stehen die Comedian Harmonists erstmals am 19.7.1930 vor der Filmkamera. Für die zeitnahe Ufa-Filmoperette DIE DREI VON DER TANKSTELLE spielen sie Barmixer und singen, begleitet von der Lewis Ruth-Band, Harmonie für Leo Monosson bei einem Nachtclub-Auftritt mit dem Schlager "Liebling, mein Herz läßt dich grüßen". Ihre Tagesgage beträgt 1500 Mark. Diese Aufnahmen absolvieren sie ebenfalls für die parallel gedrehte französische Version LE CHEMIN DU PARADIS. Die Lieder stammen - wie bei den meisten ihrer Ufa-Filme - aus der Feder des Teams Werner Richard Heymann und Robert Gilbert.
In zwei Sprach-Versionen entsteht im Winter 1930/31 für das Deutsche Lichtspiel-Syndikat (D.L.S.) auch GASSENHAUER / LES QUATRE VAGABONDS unter der Regie von Lupu Pick. Hier treten sie jedoch nicht selbst vor die Kamera, sondern leihen ihre Stimmen für die Lieder "Hofserenade" und "Sie heißt Marie" (franz.: "Marie, Marie") aus dem Off den Hinterhofsängern, gespielt von Ernst Busch, Albert Hoermann, Hans Deppe, Martin Jacob und Wolfgang Staudte (bzw. Aimé Simon-Girard, Alain Guivel, René Donnio, Henri Poussard und Serge Nadaud).
Danach erhalten sie regelmäßig Engagements für Unterhaltungs-Produktionen der Ufa: In Johannes Guters Verwechslungskomödie DER FALSCHE EHEMANN präsentieren sie "Hasch mich, mein Liebling hasch mich", in der gleichzeitig gedrehten - u.a. von Billie Wilder und Robert Liebmann verfaßten - Operette IHRE HOHEIT BEFIEHLT / PRINCESSE! À VOS ORDRES! von Hanns Schwarz treten sie als singende Köche mit dem Lied "Bißchen dies und bißchen das" (Heymann/Gilbert) auf. Ihr nächster Film, wieder eine aufwendige Pommer-Produktion der Ufa, entsteht nun sogar in drei Sprach-Versionen BOMBEN AUF MONTE CARLO / LE CAPITAINE CRADDOCK / MONTE CARLO MADNESS (Hanns Schwarz). Ihre Songs "Wenn der Wind weht über das Meer" / "Quand la brise vagabonde" / "Over the Blue" und "Das ist die Liebe der Matrosen" / "Les gars de la marine" / "The Way With Every Sailor" werden beliebte Schlager auch ihrer Konzerte und machen sie vor allem auch in Frankreich bekannt.
Neben diesen in Spielfilme eingebetteten Auftritten drehen sie auch "normale" Gesangsnummern für Kurzfilme mit Zusammenstellungen beliebter Tanz- und Gesangskünstler. So treten sie 1931 in Kurt Gerrons KABARETT-PROGRAMM NR. 6 mit dem Lied "St. Pauli" gemeinsam mit Maria Ney auf. Für die Excelsior-Film GmbH entsteht unter Regie von Günther Schwenn und Peter Schaeffers (Sohn des Kabarettisten Willi Schaeffers) eine ganze Serie mit einigen ihrer Erfolgssongs: "Veronika, der Lenz ist da" in KREUZWORTRÄTSEL und "Chiquita" in DER DURCHSCHNITTSMANN.
Hans Albers' "Hoppla, jetzt komm ich" von Heymann/Gilbert und Kolpe veröffentlichen die Comedian Harmonists auch auf Platte, im Ufa-Film, aus dem er stammt - DER SIEGER / LE VAINQUEUR (Hans Hinrich, Paul Martin) - singen sie allerdings "Es führt kein andrer Weg zur Seligkeit" / "La route du bonheur".
Nach einem Auftritt in Friedrich Zelniks Kriminalkomödie SPIONE IM SAVOY-HOTEL wird ihr "Wenn ich Sonntags in mein Kino geh'" (Heymann/Gilbert) in Ludwig Bergers Depressions-Operette ICH BEI TAG UND DU BEI NACHT / A MOI LE JOUR, À TOI LA NUIT / EARLY TO BED der letzte große Ufa-Film, an dem die Original-Gruppe - gemeinsam mit Leo Monosson als Sänger im Nachtclub "Casanova" - beteiligt ist. Der Film hat am 29.11.1932 im Gloria-Palast Premiere.
Bei eingetretenem Wohlstand und trotz der häufigen Gastspielreisen durch Deutschland und bald auch Europa gründen die Sänger Familien. Frommermann heiratet am 12.5.1931 die Sängerin Marie Erna Eggstein, Leschnikoff 1932 das aus London stammende Tiller-Girl Delphine David. Collins Frau wird die Französin Fernande Currie, Bootz's erste Ehefrau Ursula ist die Tochter des Bildhauers Benno Elkan. Die Hochzeit von Roman Cycowski mit seiner Frau Maria Panzram findet erst 1937 in London statt.
Zum stets wachsenden Repertoire der Comedian Harmonists, das mittlerweile zu Soloabenden ausreicht, zählen neben einigen von Bootz nach Texten von Gerd Karlick komponierten Titeln ("Ich hab' für dich 'nen Blumentopf bestellt", "Guten Tag, gnädige Frau", "Schöne Isabella aus Kastilien"), umarrangierten Jazztiteln ("Hallo, was machst Du heut', Daisy" = "You're Driving Me Crazy"; " Ohne Dich" = "Stormy Weather", "Tag und Nacht" = "Night and Day") und Varieté- und Operetten-Schlagern ("Veronika, der Lenz ist da", "Wochenend und Sonnenschein", "Blume von Hawai") auch zahlreiche populäre Lieder aus Filmen, in denen sie nicht aufgetreten sind, bzw. die auf der Leinwand von anderen gesungen werden: "Wir sind von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt" (DER BLAUE ENGEL, 1929/30), "Ein Freund, ein guter Freund" (DIE DREI VON DER TANKSTELLE, 1930), "Baby" (DAS LIED VOM LEBEN, 1930/31), schließlich 1933 "Ein Lied geht um die Welt" aus dem gleichnamigen Richard Oswald-Film mit Joseph Schmidt. Zum musikalischen Stil der Comedian Harmonists - vor allem im Vergleich zu ihrem ursprünglichem Vorbild, den Revelers - schreiben ihre Biografen Peter Czada und Günter Große: "Hot- und Swingelemente treten bei den Comedian Harmonists gegenüber einer an Wohlklang und Melodik orientierten Stimmführung zurück. Dies erlaubte es ihnen, auch Volkslieder und sogar Weihnachtslieder ganz schlicht in vollendeter, inniger Harmonie zu singen. Ihre Interpretation von Schlagern und Tanzmusik war äußerst flott, rhythmisch präzise und vielfach von praodistischem Witz geprägt, zugleich aber stets so gehalten, daß selbst banale Melodien ›veredelt‹ wurden. (…) Die Mischung aus seriöser Vokalistik und spaßiger Darbietung verblüffte und kam an. Sie entsprach auch durchaus dem Naturell der Ensemblemitglieder, die ja alle von ihrer Schulung am ›klassischen‹ Repertoire geprägt waren, zugleich aber in Frommermann und Biberti zwei durchaus unterschiedliche Komiker-Talente besaßen." (Czada/Große, 1993).
Da die Electrola-Platten der Comedian Harmonists Bestseller sind, veröffentlichen andere Plattenfirmen ähnliche Aufnahmen mit anderen Gruppen, die sich bilden: die aus ungarischen Sängern zusammengesetzten Abels, aus denen 1930 die Five Songs, 1933 die Kardosch-Sänger entstehen, zu denen dann u.a. Rudi Schuricke gehört, Die Harmony Boys / Fidelios, aus denen nach 1933 die Melodisten bzw. die Humoresk Melodios werden, oder - feminin gewendet - die Singing Babies.
Auch nach dem Machtantritt der Nazis Anfang 1933 setzen die Comedian Harmonists ihre Erfolgs-Tourneen durch Europa, unterbrochen von Platten-Aufnahmen in Berlin, fort. Am 24.11.1933 geben sie in der Berliner Philharmonie ein Konzert "zum Besten des Winterhilfswerks des Deutschen Volkes". Doch bereits am 7.7.1933 entscheidet die Filmprüfstelle, die Auftritte der Gruppe - u.a. mit dem Titelschlager - aus der Fallada-Verfilmung KLEINER MANN - WAS NUN? (Regie: Fritz Wendhausen) zu entfernen. Nachdem Propagandaminister Goebbels am 5.3.1934 die Verordnung auf Pflichtmitgliedschaft in der Reichskulturkammer erlassen hat, die mit dem "Ariernachweis" verbunden ist, werden erste Konzerte abgesagt. Nach Intervention erhält die Gruppe jedoch eine Sondergenehmigung, bis zum 1.5.1934 die abgeschlossenen Tournee-Daten zu absolvieren. Allerdings gibt es gegen einzelne Konzerte Proteste von Nazi-Organisationen.
Unter dem äußeren Druck steigen auch die Differenzen innerhalb der Comedian Harmonists, die jedoch zunächst beigelegt werden können. Da ein weiteres Auftreten innerhalb des Deutschen Reichs unmöglich ist, begibt sich die Gruppe ab April 1934 auf Auslandstourneen. Im Juni fahren sie mit der "Europa" nach New York, wo NBC mehrere Konzerte auch im Rundfunk überträgt und zahlreiche Sendungen produziert. Auf Einladung der US Navy geben die Comedian Harmonists gemeinsam mit dem Paul Whiteman Orchestra und den Boswell Sisters ein Konzert auf dem Flugzeugträger Saratoga. Überlegungen, in den USA zu bleiben, scheitern an Bibertis Weigerung, seine Mutter und seinen Besitz in Berlin zurückzulassen; Leschnikoff und Bootz schließen sich ihm an. Auf die Rückkehr nach Berlin im August 1934 und weitere Schallplattenaufnahmen folgt im November eine Tournee durch das faschistische - aber nicht antisemitische - Italien. Anfang Februar 1935 kommt es in Norwegen zum letzten öffentlichen Auftritt der Comedian Harmonists, am 13.2.1935 nehmen sie im Electrola-Studio in Berlin "Morgen muß ich fort von hier" auf, ihre letzte (legale) gemeinsame Plattenproduktion (am 1.3.1935 folgt noch eine weitere mit der "Barcarole" von Jacques Offenbach).
Mit Datum vom 22.2.1935 werden die "Arier" Biberti, Bootz und Leschnikoff in die Reichsmusikkammer aufgenommen, verbunden mit dem Verbot, "weiterhin mit diesen Nichtariern zu musizieren. Jedoch bleibt es Ihnen unbenommen, mit anderen arischen Musikern nach Zulegung eines deutschen Namens anstelle der Bezeichnung ›Comedian Harmonists‹ Ihre musikalische Tätigkeit auszuüben." Die Mitglieder entscheiden sich im Reich und im Ausland neue Gruppen zusammenzustellen, die jeweils den Namen Comedian Harmonists führen dürften.
Wieder im Berliner Lokal-Anzeiger erscheint am 3.3.1935 eine Anzeige, in der ein "weltberühmtes deutsches Gesangsensemble" zwei Tenöre und einen Bariton sucht. Die neuen Sänger - 2. Tenor Richard Sengeleiter, Bariton Walter Blanke und der ungarische Tenor-Buffo Janos Kerekes, noch während der Proben durch Fred (Alfred) Kassen ersetzt - werden von den Stammmitgliedern als Angestellte engagiert. Allerdings kommt es in der Folge zu zahlreichen Personalwechseln: 1936 hilft zeitweise Zeno Coste aus, ein Engagement Rudi Schurickes scheitert am Einspruch von Leschnikoff, schließlich werden 1936/37 - neben Kassen - Alfred Grunert (2. Tenor) und Herbert Imlau (Bariton) für einige Jahre Mitglieder.
Nach intensiven Bemühungen wird der Gruppe am 21.11.1935 von der Reichsmusikkammer gestattet, sich vorläufig "Meistersextett, früher Comedian Harmonists" zu nennen, wobei die typografischen Größenverhältnisse einen gleitenden Übergang vom einen zum anderen Namen ermöglichen sollen. Am 20.8.1935 finden die ersten Schallplatten-Aufnahmen bei der Electrola statt, die mit dem Meisterquartett einen neuen Vertrag geschlossen hat. Das erste öffentliche Konzert folgt im Oktober. Allerdings gibt es - neben stimmlichen Problemen - auch Schwierigkeiten mit dem Repertoire, da ein Großteil der bisherigen Erfolgstitel von jüdischen Komponisten (u.a. Heymann, Spoliansky, Jurmann, Hollaender) und Textern (Gilbert, Rotter) stammt und nicht mehr verwendet werden darf. Nach der vorübergehenden kulturellen Lockerung aus Anlaß der Olympiade müssen ab 1937 sogar die Programme für Auslandsauftritte genehmigt werden.
Als sich ein gewisser Erfolg mit Schallplatten und Tourneen wieder einstellt, kommt es auch zu Filmaufnahmen. Für den Dauerbrandherd-Produzenten Caspar Blume spielt und singt das Meistersextett einen von A. Limberg geschriebenen Song, der 1936 als Reklamefilm und als Tonographie-Werbeplatte verbreitet wird. In Hans Hinrichs FREMDENHEIM FILODA tritt das Meistersextett mit dem Lied "Wenn Matrosen mal an Land geh'n" auf.
Am 17.12.1937 verbietet eine Schallplatten-Anordnung den Weitervertrieb der alten Platten (die Electrola hatte weiterhin fast hundert Aufnahmen der Original-Harmonists im Katalog gehalten), was eine beträchtliche Honorareinbuße bedeutet. Ende 1938 verläßt nach künstlerischen Differenzen vor allem mit Biberti der Pianist und musikalische Leiter Erwin Bootz die Gruppe und wechselt als Komponist, Texter und musikalischer Leiter zum Kabarett der Komiker, das von Willi Schaeffers geleitet wird. Rudolf Zeller wird neuer Pianist, die wichtige Arbeit als Arrangeur wird von mehreren Helfern übernommen, u.a. von Bruno Seidler-Winkler. Doch der Niedergang des Sextetts ist nicht aufhaltbar. Nach einer letzten Tournee durch Italien lehnt im Mai 1939 die Electrola Aufnahmen der Lieder "Bel ami" und "Penny-Serenade" mit der Begründung ab: "Es fehlt diesen Aufnahmen an der Lebendigkeit und vortragsmäßigen Differenzierung und Ausgeglichenheit". Als Robert Biberti sich immer stärker als "Gründer und künstlerischer Leiter" in den Vordergrund drängt, wachsen die Konflikte mit dem einzig verbliebenen Original-Harmonisten Ari Leschnikoff und den angestellten Neu-Mitgliedern. Als nach Kriegsbeginn die Situation immer unübersichtlicher wird - Leschnikoff ist wochenlang verschwunden (vermutlich zu Manövern in Bulgarien eingezogen), kündigt Biberti alle Verträge und verwickelt sich mit Leschnikoff in juristische Händel. Biberti kann noch einmal eine Gruppe zusammenstellen, die im Winter 1940/41 einige Auftritte absolviert. Ein Auftrittsverbot der Reichsmusikkammer am 24.11.1941 beendet die Existenz des Meister-Sextetts.
Als Ausgangsbasis für eine Neu-Formation der Comedian Harmonists wählen 1935 die "nicht-arischen" Mitglieder Harry Frommermann, Erich A. Collin und Roman Cycowski Wien, das sie mit ihren Frauen und einigen (geschmuggelten) Finanzmitteln dank eines fingierten Auslandsgastspiels erreichen. Nachdem ihnen noch im selben Jahr die deutsche Staatsbürgerschaft abgesprochen worden ist, sind Frommermann und Collin ebenso "staatenlos" wie Cycowski, der bereits 1926 wegen Militärdienstverweigerung seinen polnischen Paß verloren hat. Sie erhalten von den österreichischen Behörden Protektionspässe, die Auslandsreisen ermöglichen.
Als Versuche, in Wien neue Mitglieder zu finden, scheitern, holt Frommermann den jüdischen Pianisten Erich Engel aus Berlin nach. Von dort kommt auch der ebenfalls jüdische Tenor Hans Rexeis. Nur der Bassist Rudolf Mayreder stammt aus Wien. Im Gegensatz zum "Meister-Sextett" sind jedoch die Neu-Mitglieder der wiener Comedian Harmonists nicht Angestellte, sondern gleichberechtigte Teilhaber. Die Zusammensetzung der Comedy Harmonists erweist sich als stabiler als die der deutschen Gruppe. Lediglich Pianist Engel wird 1937 durch Fritz Kramer ersetzt.
Nach intensiven Proben gelingt es, einen Schallplatten-Vertrag bei der Gramophone Company, der Muttergesellschaft der Electrola, zu erhalten. Deren künstlerischer Leiter Fred W. Gaisberg schlägt die Änderung des Namens in Comedy Harmonists vor, unter dem dann die meisten Aufnahmen der Exil-Gruppe erscheinen. Aufnahmen finden ab Ende September zumeist in Paris statt, auch ein großer Teil der Lieder ist französisch gesungen. "Bei einem Vergleich der Schallplatten der beiden Nachfolgegruppen erweist sich das Repertoire der Comedy Harmonists nicht nur als bedeutend vielseitiger, ihre Interpretation ist auch musikalisch anspruchsvoller und reicher an stimmlichen Varianten." (Czada/Große, 1993).
Am 23.1.1936 hat in Wien die Filmkomödie KATHARINA - DIE LETZTE Premiere, die von dem nach Österreich ausgewichenen Team der Deutschen Universal-Film GmbH von Hermann Kosterlitz (in Hollywood später Henry Koster) mit Franziska Gaal in der Hauptrolle gedreht worden ist. Die Comedy Harmonists singen in dem Film, der im Reich nicht aufgeführt wird, die von Nikolaus Brodsky und Fritz Rotter geschriebenen Songs "Auf Wiederseh'n, mein Fräulein" und "Du paßt so gut zu mir wie Zucker zum Kaffee". Es bleibt ihr einziger Film-Auftritt - abgesehen von einer Privataufnahme von Duke Ellingtons "Creole Love Call", die um 1938 in den USA gefilmt wird.
Ab September 1935 treten die Comedy Harmonists im Rahmen von Varieté-Programmen und in Nachtclubs auf. Ihr erstes eigenes Konzert findet am Silvesterabend 1935/36 in Luxemburg mit großem Erfolg statt. 1936 macht die Gruppe gemeinsam mit dem Pianisten Egon Petri eine viermonatige Tournee durch die Sowjetunion. Ein Auftritt in der londoner Queens Hall wird ein Mißerfolg - im Gegensatz zu Gastspielreisen nach Paris und durch Skandinavien und im April 1937 durch Italien. Von London, wo Cycowski die Ehe mit seiner Frau Marie/Mary formalisiert, reisen die Comedy Harmonists Ende Juni - eingeladen von der Australian Broadcasting Commission (A.B.C.) - zu einer mehrmonatigen Tournee nach Australien, wo sie mit Begeisterung gefeiert werden.
Als die Comedy Harmonists nach einer Italien-Tournee, die wegen verschärfter antisemitischer Bestimmungen abgebrochen werden muß, im März 1938 nach Wien zurückkehren, um sich Visa für eine geplante Skandinavien-Tournee zu holen, werden sie vom Einmarsch der deutschen Truppen überrascht und müssen über Zürich nach London fliehen. Zunächst unternehmen sie Tourneen durch Skandinavien und Südamerika. Ausgerüstet mit sogenannten Nansen-Pässen folgen 1939 Gastspiele in Kanada und den USA. Unterbrochen von einem Auftritt in Kapstadt, geht die Reise dann wieder nach Australien. Überwältigt von ihrer Popularität, beschließen die Sänger, in Australien zu bleiben und kaufen sich ein Haus in Sydney. Anfang September 1939, Australien ist im Rahmen des Commonwealth Kriegsgegner Hitler-Deutschlands, stellen sie Antrag auf Einbürgerung, zu der es jedoch nicht kommt. Anfang 1940 starten sie eine Gastspielreise durch die USA. Trotz geringeren Erfolgs und eines Angebots der A.B.C. auf eine weitere Australien-Tournee beschließen die Comedy Harmonists, in den USA zu bleiben. Ein Streit zwischen Collin und Mayreder leitet das Ende der Gruppe ein. Endgültiger Anstoß ist jedoch eine Meldung über die Ermordung des Vaters von Roman Cycowski in Polen, der darauf beschließt, ein altes Versprechen einzulösen und jüdischer Kantor in Kalifornien wird. Erich A. Collin arbeitet in Los Angeles in verschiedenen Berufen, u.a. in einer Schnapshandlung und einer Plexiglas-Fabrik. Anfang 1947 kommen seine Frau und Tochter, die 1938 in Frankreich geblieben waren, nach Los Angeles. Fernande Collin kann die Familie als Verkäuferin in einem Warenhaus ernähren.
Lediglich Harry Frommermann, dessen schlechte finanzielle Lage durch Unterstützung Cycowskis und von jüdischen Hilfsorganisationen sowie Tätigkeiten als Taxifahrer und Band-Arbeiter gemildert wird, verfolgt nach der Trennung weiterhin seine Idee eines "Vocal Orchestra". Im Februar 1943 kommt es bei einem Wohltätigkeitskonzert im Waldorf Astoria Hotel zu einem einmaligen Auftritt einer von ihm zusammengestellten Gruppe. Am 15.5.1943 tritt er - in der Hoffnung auf Beschleunigung seiner Einbürgerung, die zum 13.2.1944 erfolgt - in die US Army ein. Nach einem Unfall zum Übersee-Einsatz untauglich, dient Harry M. Frohman, wie er sich nun nennt, in einer Einheit, die Unterhaltung für Verwundete in Lazaretten betreibt. Nach seiner Entlassung arbeitet er im Winter 1945/46 als Dolmetscher bei den Nazi-Prozessen in Nürnberg und geht im März 1946 als Kontrolloffizier zum RIAS nach Berlin. Hier trifft er u.a. auch Fried Walter wieder, der 1930 kurze Zeit als Ersatz für Bootz als Pianist der Comedian Harmonists gearbeitet hat und nun Abteilungsleiter für U-Musik ist. Eine Bewerbung Bibertis auf eine Stelle beim Sender wird abschlägig beschieden. Im Januar 1948 endet Frohmans Arbeit beim RIAS im Zusammenhang mit einer Affäre, die vermutlich im Zusammenhang mit der Jagd auf angebliche Linke im Zeichen des verschärften Kalten Kriegs steht. Er versucht vergeblich, sich in Zürich mit kaufmännischen Tätigkeiten zu etablieren.
Hier erfährt Frohman von den erfolgreichen Bemühungen Erich A. Collins, in Amerika mit amerikanischen Sängern eine neue Gruppe Comedian Harmonists zu etablieren, die im Sommer 1948 in Skandinavien eine Europa-Tournee beginnt. Als der Tenor-Buffo in Stockholm plötzlich stirbt, geht Frohman auf Collins Bitte ein, für den Rest der Tournee einzuspringen. Als er zur Gruppe stößt, ist er entsetzt über mangelnde Disziplin und Proben-Bereitschaft der hölzernen und arroganten "Cowboys", mit denen er am 6.10.1948 im dänischen Slagelse erstmals auf der Bühne steht. Nach dem letzten Konzert in Mailand bricht die Gruppe wieder auseinander.
Collin fährt zurück zu seiner Familie in die USA. Frohman erhält bei der Rundfunkanstalt RAI in Rom eine Anstellung bei der Unterhaltungsabteilung und das Angebot, eine Vokalgruppe im Stil der Comedian Harmonists aufzustellen. Harry Frohman and his Harmonists, zu denen neben einem Pianisten und vier Sängern auch zwei Frauen gehören, produzieren 1950 über sechzig Rundfunksendungen. Eine Tournee zerschlägt sich an moralischen Bedenken der Angehörigen der zwei jungen Damen. Nach diesem Scheitern ist Frohmans Gesundheit angeschlagen, er kehrt nach einem Erholungsaufenthalt in der Schweiz nach New York zurück. Ein weiterer Versuch, Mitte der 50er Jahre mit Collin eine neue Gesangsgruppe aufzustellen, scheitert am Desinteresse der europäischen Agenturen. Der Ruhm der Comedian Harmonists ist verklungen.
Roman Cycowski - Der das Ende der Comedy Harmonist auslösende Wunsch, in Los Angeles Kantor zu werden, zerschlägt sich zunächst und Cycowski eröffnet auf Anregung eines Vetters mit seinem Ersparten in der Nähe von Palm Springs einen Nightclub, in dem er auch als Sänger auftritt, was sich allerdings zum finanziellen Fiasko entwickelt. Im Mai 1942 erhält er eine Anstellung als Kantor in der orthodoxen Gemeinde in San Francisco, die er mit wachsendem Ansehen ausfüllt. 1947 wechselt er zum Beth Israel Temple in Los Angeles, wo er bis 1971 tätig ist, um sich dann mit seiner Frau Mary in den Ruhestand zurückzuziehen. In der jüdischen Gemeinde dieser Millionärs-Siedlung engagiert er sich weiterhin musikalisch. Roman Cycowski stirbt am 9. November 1998 in Palm Springs.
Harry Frommermann - Nach seiner Rückkehr aus Italien wird Harry M. Frohmans Ehe 1952 geschieden. In den folgenden Jahren schlägt er sich mit verschiedenen Jobs durch. 1956-60 ist er in 2. Ehe mit Paula Wolff verheiratet. Seine Bemühungen, sich auch musikalisch wieder zu betätigen, haben - außer einer Multitrack-Produktion des Hummelflugs von Rimski-Korsakow, bei der er seinen Traum eines "Vocal Orchestras" im Alleingang verwirklicht - keine Perspektive. Anfang der 60er Jahre zieht er nach Bremen zu Erika von Späth, mit der er seit 1948 einen Briefkontakt pflegt, die ihm hilft, seine Entschädigungs-Ansprüche als Verfolgter des Nazi-Regims zu realisieren. Eine kleine Rente, die in den 70er Jahren mit den dank wachsender Popularität der Original-Aufnahmen der Electrola wieder sprudelnden Tantiemen aufgebessert wird, ermöglicht ihm einen gesicherten Lebensabend, der allerdings zeitweise durch Auseinandersetzungen mit Biberti überschattet wird. Jahrelang von schwerer Krankheit geplagt, stirbt Harry M. Frohman am 29. Oktober 1975 in Bremen.
Erich A. Collin - Nach dem Ende der "amerikanischen" Gruppe aus Italien zurückgekehrt, etabliert sich Erich Collin als Designer für Kunststoffprodukte. Mit Frohman erhält er in den 60er Jahren Entschädigung aus Deutschland. Erich A. Collin stirbt bei einer Blinddarmoperation am 29. April 1961 in Kalifornien.
Robert Biberti - Biberti bleibt in Berlin, dient ab 1941 in der Luftwarnzentrale, dann in einer Waffenmeisterei. Durch Beziehungen wird er von einem Forschungslabor für die Fernlenkung von Torpedos in Zoppot angefordert und entgeht so dem Fronteinsatz. 1944 heiratet Biberti seine langjährige Lebensgefährtin Hilde Longino. 1945 gerät er als Volkssturmmann im thüringischen Weida in amerikanische Gefangenschaft, kann aber nach Berlin zurückkehren. Nach Kriegsende läßt er sich als Verfolgter des Naziregimes anerkennen und erhält eine Entschädigung. Er lebt vom Antiquitätenhandel und kassiert die Tantiemen aus den Wiederveröffentlichungen der Schallplatten. Er sammelt Fotos und Dokumente über die Comedian Harmonists und gestaltet Rundfunksendungen über die Gruppe. Robert Biberti stirbt am 2. November 1985 in Berlin.
Ari Leschnikoff - Leschnikoff kehrt 1940 nach Sofia zurück, wo er von den Einnahmen aus einem Mietshaus lebt, das er von seinen Tantiemen gekauft hat. 1942 nimmt er einige Schallplatten als Solosänger auf. Im August 1942 als Hauptmann der Reserve eingezogen, dient er als Adjutant des Bahnhofskommandanten von Sofia. Nachdem 1944 bei einem Luftangriff sein Haus zerstört wird, verliert er seinen Lebensunterhalt und lebt nahezu mittellos von der Unterstützung von Freunden. Seine Frau Delphine nutzt eine Reise zur Beerdigung ihres Vaters in London, um mit dem Sohn Simon dort zu bleiben. 1947-56 tritt Leschnikoff im Rahmen eines Kulturensembles als Sänger bei bunten Abenden und im Rundfunk auf. 1952 heiratet er erneut, 1958 wird der Sohn Henry geboren. Leschnikoff arbeitet als Lagerverwalter in einer Fabrik, pflegt als Gärtnergehilfe die städtischen Parkanlagen. Ab 1962 erhält er eine geringe Rente. Briefliche Bitten an Biberti, ihn an den von ihm vereinnahmten Tantiemen zu beteiligen, schlägt dieser - trotz Intervention der Electrola - aus. 1965 wird er von einem Fan nach Dresden eingeladen, woraus sich verschiedene Ehrungen in der DDR ergeben. Durch diese Aktivitäten werden nun auch die Bulgaren auf ihn aufmerksam, es erscheint eine LP mit seinen Aufnahmen aus den 40er Jahren und einigen Songs der Comedian Harmonists, was allerdings an seiner Armut nicht viel ändert. Ari Leschnikoff stirbt am 31. Juli 1978 in Sofia.
Erwin Bootz - Nach der Trennung vom Meister-Sextett arbeitet Erwin Bootz, der sich 1935 von seiner jüdischen Frau (die mit ihrem Vater emigrieren kann) hat scheiden lassen, als Musiker am Kabarett der Komiker. 1942 zum Militär einberufen, arbeitet er während des Kriegs bei der Truppenbetreuung und beim Reichssender Berlin, wo er Sendungen für Soldaten gestaltet. Nach Kriegsende schlägt er sich als Musiker am KadeKo und bei anderen Varietés durch. Im Juni 1948 engagiert ihn der Sender Leipzig. Anschließend kann er in München bei der Bavaria als Sprecher, Autor und Regisseur von Film-Synchronisierungen unterkommen, eine Tätigkeit, die er bis 1959 auch in Hamburg und Berlin ausübt. Stark verschuldet wandert er 1959 nach Kanada aus, wo er zunächst als Versicherungsvertreter, dann als Pianist arbeitet, bis er 1971 mit seiner dritten Frau Helli nach Hamburg zurückkehrt.
Peter Zadek engagiert ihn als musikalischen Leiter des Bochumer Schauspielhauses, dessen Intendanz er gerade übernommen hat. Die Eröffnungs-Revue "Kleiner Mann, was nun?", zu der Bootz mit Peer Raben die Musik gestaltet, wird ein großer Erfolg und auch für das Fernsehen aufgezeichnet. Bootz bleibt sieben Spielzeiten in Bochum und komponiert mehrere Bühnenmusiken. Auch ihm kommt nun neben den Tantiemen für die Originalaufnahmen auch die wachsende Popularität der Comedian Harmonists zugute, u.a. durch Auftritte im Rundfunk und Kabaretts. Erwin Bootz stirbt am 27. Dezember 1982 in Hamburg.
In den 70er Jahren beginnt - nach einigen LPs mit den Originalaufnahmen der Electrola - eine erste Renaissance der Comedian Harmonists. Der Fernsehschauspieler und Regisseur Eberhard Fechner, der Ende der 60er Jahre mit großem Erfolg begonnen hat, für den NDR in Interviewfilmen dokumentarische Bestandsaufnahmen aus dem Alltagsleben der Deutschen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu drehen, wird durch einen Zufall an Kriegserlebnisse mit dem Gesang der Comedian Harmonists erinnert. Das veranlasst ihn, nach dem Verbleib der Musiker zu forschen und Kontakt mit den Sängern bzw. ihren Verwandten aufzunehmen. Obwohl Harry Frommermann kurz vor dem vereinbarten Interviewtermin stirbt, beginnt Fechner im Dezember 1975 mit den Aufnahmen. Er interviewt Robert Biberti, Roman Cycowski, Erwin Bootz und Ari Leschnikoff, außerdem Marion Kiss und Erika von Späth sowie Annemarie Collin, die Schwester Erich Collins, und dessen Witwe Fernande Collin-Currie.
Aus mehr als siebzig Stunden Interviews sowie zeitgenössischen Dokumenten montiert er - unterstützt von seiner Cutterin Brigitte Kirsche - einen mehr als dreistündigen Zweiteiler, der im Dezember 1976 erstmals ausgestrahlt wird. Außerdem verarbeitet er die gesammelten Materialien zu einem Buch. Es gelingt ihm dabei, anhand der Schicksale der Sänger ein lebendiges Kapitel seiner "Chronik des 20. Jahrhunderts" zu liefern, gerade, indem er auch die unterschiedliche Entwicklung nach dem Bruch der Original-Gruppe verfolgt: "Als die sich 1935 trennten, weil die nichtjüdischen Mitglieder des Verdienstes wegen in Deutschland bleiben wollten, hatten die sich korrumpiert. Damit begann - und das wird ganz klar in dem Film - deutlich der moralische, der sittliche Niedergang dieser drei Mitglieder. Die endeten bei gegenseitigen Beschuldigungen, um den anderen zu schädigen, vor der Gestapo. Typischerweise haben sie sich auf die mieseste Art im Nazireich verhalten." (Fechner zu Netenjakob, 1989).
Mit ökonomisch und publizistisch ungleich größerem Aufwand wendet sich Mitte der 90er Jahre der Kameramann und Filmregisseur Joseph Vilsmaier dem Schicksal der Gruppe zu. Nach einem Drehbuch u.a. von Klaus Richter dreht er, begleitet von einem beträchtlichen Medienrummel, einen Spielfilm, der Tatsachen und Fiktives vermischt und - in typischer Vilsmaier-Manier - mit Nostalgie verklärt. Dabei werden die Originalaufnahmen der Lieder im Playback verwendet.
Die Publizität ausnutzend, entstehen im In- und Ausland Nachahmergruppen, in Berlin arrangiert man (mit wenig Erfolg) eine Bühnenrevue. Außerdem erscheinen zahlreiche Kompilationen auf CD, ohne dass sich jedoch jemand Mühe macht, eine fundierte Edition der Originalaufnahmen zu veranstalten.
Hans-Michael Bock
Diskografie (Auswahl)
- Comedian Harmonists: Die großen Erfolge 1-5. EMI Electrola, 29224/25/26/27, 37835, 1991-96. (18, 17, 18, 18, 20 Aufnahmen aller Formationen 1928-38).
- Les Comedian Harmonists chantent en français. Integrale des enristrements à Paris et à Berlin 1929-1937. EPM 983782 (2 CDs), 1996. (23, 22 Aufnahmen).
- Comédian Harmonists: Süßes Baby. Die deutschen Revellers mit ihren frühen Aufnahmen von 1928 bis 1929. Bobs Music, Bob-CD 13, 1998. (23 Aufnahmen).
- Comedian Harmonists und "Meistersextett": Volkslieder. Stimmen des Jahrhunderts, Weltbild History, 701953 F2, oJ. (18 Aufnahmen 1930-38).
- The Revelers: No Foolin' 1925-1926. Bobs Music, Bob-CD 17, 1998. (24 Aufnahmen).
- The Revelers: Blue Shadow 1927-1929. Bobs Music, Bob-CD 10, 1998. (23 Aufnahmen).
- The Revellers 1926-31. Die Vorbilder der Comedian Harmonists. Archiphon ARC-002, 1998. (22 Aufnahmen + 3 Zugaben anderer Sänger).
- Rivalen der Comedian Harmonists. Warum, weshalb, wieso? Edition Berliner Musenkinder, Duophon 01423. (22 Aufnahmen verschiedener Gesangsensembles, u.a. The Four Admirals, Singing Babies, Kardosch-Sänger, Schuricke-Terzett, 1928-41).
Literatur
- Peter Czada: Comedian Harmonists. In: Fox auf 78, Nr. 7, 1988, S. 48-??.
- Eberhard Fechner: Die Comedian Harmonists. Sechs Lebensläufe. Berlin/West: Quadriga 1988, 452 S., ill.
- Egon Netenjakob: Eberhard Fechner. Lebensläufe dieses Jahrhunderts im Film. Weinheim, Berlin: Quadriga 1989, 243 S.
- Berthold Leimbach: Comedian Harmonists. In: B.L.(Hg.): Tondokummente der Kleinkunst und ihre Interpreten 1898-1945. Göttingen (Eigenverlag) 1991, n.p. (Diskografie).
- Horst H. Lange: Comedian Harmonists. In: H.H.L.: Die deutsche "78er" Discographie der Hot-Dance- und Jazz-Musik 1903-1958. Berlin: Panther 1992, S. 215-23. (Diskografie).
- Peter Czada, Günter Große: Comedian Harmonists. Ein Vokalensemble erobert die Welt. Berlin: Edition Hentrich 1993 (Reihe Deutsche Vergangenheit 102), 202 S., ill. (Mit Diskografie).
- Joseph Vilsmaier (Hg.): Comedian Harmonists. Eine Legende kehrt zurück. Der Film. Leipziug: Gustav Kiepenheuer 1997, 143 S., ill. (Buch zum Film).