CineGraph - Lexikon zum deutschsprachigen Film.

Gojko Mitic - Schauspieler, Stuntman, Autor, Regisseur

Biografie

DER SCOUT (1982, R: Konrad Petzold)

Gojko Mitic, geboren am 13. Juni 1940 im serbischen Leskovac, Sohn des Landwirts Zivojin Mitic und seiner Frau Timka. Während sein Vater am Partisanenkampf teilnimmt, wächst Mitic bei seinen Großeltern in einem Dorf an der Morava auf; in der Schule erhält er Deutschunterricht. Mit zwanzig Jahren beginnt er in Belgrad ein Studium, um Sportlehrer zu werden. Als zu dieser Zeit in Jugoslawien internationale Filmproduktionen gedreht werden, deren Komparsen sich aus der Studentenschaft der belgrader Sporthochschule rekrutieren, findet Mitic Kontakte zum Film. Ab 1961 tritt er als Double und Stuntman in britischen und italienischen Produktionen auf, 1963 erhält er seine erste kleine Rolle in einem Karl May-Film der berliner Rialto-Film. Da er körpergewandt ist und gut aussieht, vertraut ihm der Produzent Horst Wendlandt 1965 in UNTER GEIERN erstmals eine größere Episodenrolle an; im Vorspann erscheint sein Name eingedeutscht als "Georg Mitic".

Gleichzeitig bereitet auch die DEFA ihren ersten Indianerfilm vor, der 1965 ebenfalls in Jugoslawien entstehen soll. Für die Hauptrolle des Häuptlings in DIE SÖHNE DER GROSSEN BÄRIN wird Mitic ausgewählt - damit beginnt seine Karriere bei der DEFA, deren "vielleicht einziger wirklicher Star" (Kolditz, 1995) Mitic wird. Bis 1975 entsteht jährlich ein Indianerfilm, in dem er stets den positiven Helden, den edlen und mutigen Indianerhäuptling, verkörpert. Er verzichtet dabei in Action-Szenen auf Doubles und führt alle Stunts selbst aus. "Was Gojko Mitic deutlich von ,Winnetou' Pierre Brice unterschied, war eine Mischung aus Härte und Hartnäckigkeit, Entschlossenheit und Energie. (...) Gojko Mitic war immer der indianische Held, selbstlos und selbstbewußt, Gejagter und Jäger in einem." (Wehrstedt, 1996). Obwohl er fließend deutsch spricht, wird er in den Indianerfilmen synchronisiert, da man befürchtet, ein Akzent könne die Indianer diskriminieren.

SPUR DES FALKEN (1968, R: Gottfried Kolditz)

Beim Publikum erringt Mitic eine bis dahin in der DDR nicht gekannte Popularität. Besonders in der Freilichtbühnensaison (in der DDR als "Sommerfilmtage" eine Institution) wird er nach einzelnen Aufführungen von bis zu zehntausend Fans gefeiert. Da die Indianerfilme in allen osteuropäischen Ländern, aber auch in asiatischen, arabischen und afrikanischen Staaten mit großem Erfolg laufen, erlangt Mitic mit den Indianer-Rollen eine riesige Fan-Gemeinde weit über die DDR hinaus. "Die Popularität dieses Schauspielers ist ungeheuer. Die Gerechtigkeit, die er verkörpert, die Wahrheitsliebe und Furchtlosigkeit - gepaart mit romantischem Abenteuer - machen ihn zu einem erstrebenswerten Freund, den man sonst nur aus Märchenbüchern kennt." (Margit Voß, BZ am Abend, 21.5.1974).

Mehrfach verkörpert Mitic in seinen Filmen historische Figuren, u.a. die Indianerhäuptlinge Osceola, Tecumseh und Ulzana. Für diese Leistungen findet er auch in der Presse Anerkennung: "Gojko Mitic spielt den Helden mit Gelassenheit, Würde und Sensibilität in der Liebe zu einem weißen Mädchen. Er sitzt gut zu Pferde, bewahrt Haltung und bekommt sogar zärtlichen Glanz in die Augen, wenn er Tecumsehs Gefühlen Ausdruck verleiht." (Georg Antosch, Der Neue Weg, 21.7.1972). Bei den Filmen APACHEN und ULZANA arbeitet er auch als Co-Autor an den Drehbüchern mit. Bis 1984 verkörpert Mitic in insgesamt 12 Indianerfilmen die Hauptrollen.

Gojko Mitic als Häuptling Ulzana in APACHEN (1973, R: Gottfried Kolditz)

Das ihm aufgedrückte Klischee des "DEFA-Chefindianers" versucht Mitic in anderen Produktionen zu durchbrechen. So tritt er im Science-fiction-Film SIGNALE - EIN WELTRAUMABENTEUER auf und spielt in den abenteuerlichen Fernseh-Mehrteilern DAS GEHEIMNIS DER ANDEN und VISA FÜR OCANTROS. Im Fernsehen kann er in der Victor Hugo-Adaption DIE LIEBE UND DIE KÖNIGIN neben Inge Keller auch im Charakterfach bestehen oder sich in Gegenwartsstoffen, etwa als Sportlehrer in ZWEITE LIEBE EHRENAMTLICH, profilieren. Seine Partnerin ist dabei mehrmals Renate Blume, mit der Mitic einige Jahre zusammenlebt. Nachdem die Indianerfilm-Reihe ins Stocken geraten ist, spielt Mitic 1977 in ICH WILL EUCH SEHEN, einem Spielfilm mit antifaschistischer Thematik, einen Partisanen, eine Rolle, die er später in den Fernsehserien ARCHIV DES TODES und FRONT OHNE GNADE variiert. Daneben tritt er auch als Sänger auf und moderiert Fernsehsendungen, darunter die TV-Show EIN KESSEL BUNTES und die Quiz-Reihe GONG.

Mit dem Spartacus übernimmt Mitic 1975 erstmals einen Bühnenpart während der Sommersaison des Harzer Bergtheaters in Thale. Bis 1984 spielt er hier zahlreiche Rollen - u.a. D'Artagnan und Rinaldo Rinaldini - in Stücken abenteuerlichen Zuschnitts, die zum Teil für das Fernsehen der DDR aufgezeichnet werden, auch führt er hier erstmals Regie. Zwischen 1981 und 1989 inszeniert Mitic für das Fernsehen fünf Filme der Kinderserie JAN UND TINI über die Abenteuer zweier Puppen, deren Drehbücher er zugleich schreibt. Bei einzelnen Einstellungen, die artistisches Können verlangen, übernimmt Mitic ungenannt die Kamera. Kinder sind auch die Adressaten mehrerer Kinofilme mit ihm, so DER LANGE RITT ZUR SCHULE und DAS HERZ DES PIRATEN, in denen er als Verkörperung des eigenen Mythos auftritt. Seine letzte Häuptlingsrolle spielt Mitic 1988 in der Karl May-Verfilmung des DDR-Fernsehens PRÄRIEJÄGER IN MEXIKO.

Nach dem Ende der DDR muß sich Mitic zunächst mit kleinen Rollen in Filmen wie DER KINOERZÄHLER von Bernhard Sinkel und BURNING LIFE von Peter Welz, die das Bild der Kinolegende geschickt nutzen, zufriedengeben. Ab 1992 spielt er bei den Karl-May-Festspielen im holsteinischen Bad Segeberg den Winnetou in Nachfolge von Pierre Brice und kann sich dank seines artistischen Könnens beim Publikum erneut durchsetzen. Popularität erringt Mitic nun auch im Westen mit seiner Rolle des Roberto Fiorani in der ARD-Vorabend-Serie VERBOTENE LIEBE. Bernd Böhlich gibt ihm 1995 eine Hauptrolle neben Gudrun Landgrebe in dem Fernsehfilm HERBERGE FÜR EINEN FRÜHLING.

Gojko Mitic lebt in Berlin-Köpenick.

F. B. Habel


Literatur

  • Gojko Mitic: Erinnerungen. Frankfurt/M., Berlin: Ullstein1996, 128 S.
  • Ehrentraud Novotný: Gojko Mitic. Berlin/DDR: Henschel 1976, 78 S.
  • Stefan Kolditz: Gojko Mitic. In: Ralf Schenk (Hg.): Vor der Kamera. Fünfzig Schauspieler in Babelsberg. Berlin: Henschel 1995, S. 168-171.
  • Norbert Wehrstedt: Indianerwestern made in GDR. In: Ingelore König, Dieter Wiedsemann, Lothar Wolf (Hg.): Zwischen Marx und Muck. Berlin: Henschel 1996, S. 54-69
  • Frank-Burkhard Habel: Gojko Mitic, Mustangs, Marterpfähle. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf 1997, 240 S.