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Berliner Film-Ateliers. Ein kleines Lexikon
MUTO-ATELIER
Lankwitz, Zietenstr. 10
Gegründet: 1904
Glashaus 700 qm: 20 x 35 m, 10 m Bauhöhe Freifläche: 12 x 15 m
Die Deutsche Mutoskop- und Biograph GmbH wird 1898 von der Deutschen Automaten-Gesellschaft Stollwerk & Co gegründet, die sich schon zwei Jahre zuvor das Wort »Kinematograph« als Warenzeichen hat eintragen lassen. Diese Mutoskop macht 1904 einen entscheidenden Schritt in der Entwicklung der Filmateliers in Berlin. Nachdem bisher in der Innenstadt kleine Ateliers von Photographen übernommen oder Obergeschosse mit Glasdächern ausgebaut wurden, errichtet sie im Villenvorort Lankwitz das erste große Gebäude, das nur der Filmfabrikation dient. Es ist eine ca. 700 qm große Glashalle auf einem mehrgeschossigen Unterbau.
Muto-Atelier. Im Auto: Carl Geyer, Charles Decroix, Carl Wilhelm, 1910 »In den unteren Räumen des Baues lagen die Büros und die Fabrikationsräume, in der oberen Etage befand sich eine große, für damalige Verhältnisse riesige gläserne Aufnahmehalle nebst Beleuchterbrücke und - das war etwas ganz Neues! - zentraler Lüftung. Die Fachwelt staunte und erklärte das Unternehmen für hellen Wahnsinn. Dieser »Wahnsinn« aber bewährte sich ... Allmählich entstanden jene gewaltigen Glashäuser, die erst vor wenigen Jahren durch die großen Kunstlichtateliers abgelöst wurden. (...)
In dem heute (1937) im Umbau befindlichen Gebäude kann man auch noch den Raum sehen, der damals als Laboratorium benutzt wurde. Früher gab es nämlich noch keine Bearbeitungsanstalten wie heute - der Operateur entwickelte seine Filme in der Regel selber. Eine Treppe höher befand sich die »Virage«; hier wurden Filmszenen chemisch eingefärbt. (...) Eine wichtige Utensilie war ein großes, allgemein sichtbares Thermo- und Barometer. Es gab Auskunft über die Wetteraussichten, denn man beschränkte sich bald nicht mehr auf bloße Atelieraufnahmen, sondern zog häufig mit den ungeschlachten Aufnahmeapparaten im Orte umher. Alte Lankwitzer erinnern sich noch heute gern der Zeiten, da die »verrückten Filmfritzen« mit ihrem Kurbelkasten Außenaufnahmen an der alten Dorfkirche oder am Lankegraben gemacht haben.« (Walter Selle: Lankwitzer Kino-Romantik vor 25 Jahren. Steglitzer Anzeiger, September 1937).
Unter der geschäftlichen und künstlerischen Leitung von Paul von Woringen dreht im Mutoskop-Atelier u.a. Gerhard Dammann 1911 einige seiner frühesten Humoresken. Unter der Regie von Franz Porten entsteht Ende 1912 der zweiteilige DER FILM VON DER KÖNIGIN LUISE mit Hansi Arnstädt als preußische Landesmutter. Anfang 1913 inszeniert Friedrich Fehér eine zweiaktige Filmfassung von Lessings EMILIA GALOTTI, spielt selbst den Odoardo. Mit Franz Porten und Dammann als Autoren und Regisseure und Fehér in der Titelrolle entsteht in Lankwitz Anfang 1912 der patriotische Großfilm (1136 m) THEODOR KÖRNER. VON DER WIEGE BIS ZU SEINEM HELDENTOD. Die Außenaufnahmen finden - wie Walter Selle berichtet - »am Karpfenteich bei Osdorf und in der Gegend um Klein-Beeren, Heinerdorf und Lankwitz-Süd« statt.
Nachdem das Atelier einige Jahre stillgelegen hat, geht es 1922 in die Hände der Muto-Großatelier für Filmherstellung GmbH über, einer Gemeinschaftsfirma von Flora-Film GmbH, Deutsche Mutoskop- und Biograph GmbH, Fern Andra Film-Atelier Georg Bluen & Co., Lixie Film-Atelier Weißensee GmbH. Geschäftsführer ist der aus Weißensee (Lixie-Atelier) bekannte Dr. Lucian Gottscho.
Doch die Entwicklung ist über das Glasatelier hinweggegangen und die Einführung des Tonfilms mit den dazu notwendigen technischen Umstellungen gibt ihm den Todesstoß. Das Jahrbuch der Filmindustrie 1933 meldet das Muto-Groß-Atelier als eines der Opfer des Konzentrationsprozesses im Atelierwesen. Im Reichs-Kino-Adressbuch taucht der Name noch bis 1934 in den Atelierlisten auf. Mitte der 30er Jahre wird es in eine Großgarage umgewandelt und brennt 1943 nach einem Luftangriff nieder.