Tonfilmkrieg / Tonfilmfrieden. Materialien zum 15. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 20. - 24. November 2002.

Die Anfänge


Zusammenschluß der Tonfilm-Industrie.
Das Gründungsprogramm der Tobis.

Das Syndikatszimmer des "Kaiserhof" sah am Mittwoch nachmittag die prominenten Vertreter der deutschen Tonfilmindustrie.
Man sah u.a. von Triergon Direktor Frischknecht und Ikle jr., vom Lignose-Hörfilm Bolten-Baeckers, von der Deutschen Tonfilm A.G. die Herren Koch und Scheffler, von der Forest-Film Herrn Dippel, von Küchenmeister die Herren Dr. Henkel und Kahn, ferner von Mihaly-Könemann, Brenninkmeyer und Prof. Karolus.
Von den großen Konzernen sah man Dir. Birnholz von der A.E.G., Dir. Lüschen von Siemens & Halske, Dir. Ernemann von Zeiß Ikon A.G., dann Dr. Joachim und Dr. Löwe.
Von den Theaterkonzernen sah man Dir. Gerschel von der Ufa, Dir. Morawsky von der Terra, Dr. Wolff für die Emelka, Generaldirektor Fett vom D.L.S., Ministerialrat Gieseke von der Reichsrundfunk-Ges. Dr. Wolff vertrat auch den Deutschen Bühnen-Verein.
Prinzipiell waren sich alle Anwesenden darüber einig, daß die Schaffung des Syndikates nötig ist und seine Ausführung zu fördern ist.
Die vorhandenen Schwierigkeiten wurden aber nicht unterschätzt. Es wurde eine Entschließung angenommen. 
Um die Vorverhandlungen zu beschleunigen, wurde ein Gremium gewählt, das aus den Herren Generalkonsul Brückmann, Altmeister Oskar Meßter, Dir. Gerschel, Dr. Frankfurter und Dr. H. Böhm besteht. 
Der Arbeitsausschuß berief sofort eine Pressekonferenz ein, die am Donnerstag mittag um 12 Uhr begann und die Vertreter der Fach- und Tagespresse am gleichen Ort versammelt sah. Konsul Brückmann führte etwa folgendes aus: Das Syndikat hat die Situation vor sich, daß eine einheitliche Aktion der maßgebenden Kräfte damit rechnen muß: ist die Zeit für den Tonfilm reif oder nicht?
Können wir uns dem Ansturm des Auslandes entgegenstellen? Die sehr starke und fruchtbare Entwicklung des deutschen Tonfilms zwingt zu einem Ja. Aber der Tonfilm soll keine Konkurrenz des stummen Films sein oder werden, im Gegenteil, jedoch auch kein Aggregat. 
Das Syndikat sieht seine Aufgabe in der Lösung der zahlreichen Patentstreitigkeiten, die eine verwerfliche Selbstzerfleischung verhindern soll.
Ohne Einigkeit ist nur der Ruin des deutschen Tonfilms vorauszusehen, sind alle Versuche negativ wie das Triergon-Ufa-Experiment. Der Normalisierungsgedanke kann allein vor der Auslandskonkurrenz retten; ein Zusammenarbeiten mit dem Ausland liegt aber doch nahe. Das Kapital soll auf 10 Millionen Mark festgesetzt, aber die bereits interessierten Filmkreise sollen vorgezogen werden.
Die Diskussion zeigte nichts neues, eine scharfe Opposition vermochte nicht durchzudringen. 
Wirtschaftlich betrachtet sind die genannten Zahlen zwar nur ein Bruchteil amerikanischer Tonfilmpreise, aber trotzdem noch zu hoch. 
Die vorsichtig geschätzten, unverbindlichen Preise von 3500 bzw. 2000 Mark für große und kleine Theater sind zu hoch, selbst bei Mithilfe einer Finanzierungsgesellschaft, die dazu gegründet werden soll. 
Vergessen werden darf auch nicht der Widerstand der Musiker, die eine Arbeitslosigkeit befürchten und sicherlich wie in Amerika rechtzeitig einen Kampffonds schaffen werden. Und die Fragen der Regie, des Tonfilmdrehbuches werden überhaupt vorerst noch übergangen, obwohl sie ebenso wichtig sind, wie andere Probleme.
Das zu erstrebende Standardsystem des Tonfilms, das von der letzten Endes maßgebenden Seite der Theaterbesitzer ohne jedes Zögern anerkannt werden könnte, ist natürlich erst noch zu finden. 
Rein technisch gesprochen sind wohl die erwogenen Anteile verschiedener Systeme kaum hoch einzuschätzen, denn man kann, auch Altmeister Meßter sagte es in der Diskussion, heute aus freien Patentansprüchen der Vorkriegszeit einen guten Tonfilm herstellen, wenn man einige freie Radio-Patente hinzufügt. Kleine Verbesserung dieser oder jener Firma dürfen bei der vorgeschlagenen Verteilung in Tausendteilen nur wenige Punkte erhalten, trotz des vorauszusehenen Sträubens der betr. Erfinder.
So erscheinen weder patentrechtliche, noch technische Angelegenheiten als Hindernisse von Format. Maßgebend wird allein die Bedürfnisfrage sein. Der Theaterbesitzer steht vor dieser Frage als entscheidender Faktor. 


Die Entschließung.
Betr.: Deutsches Tonbild-Film-Syndikat.

1. Die Teilnahme an der Versammlung vom 18. Juli 1928 im "Kaiserhof" zwecks Stellungnahme und Vorbereitung eines Deutschen Ton-Bild-Film-Syndikats begrüßen den Gedanken einer derartigen Syndikatsbildung und sind mit der Weiterbearbeitung der Idee, der sie grundsätzlich zustimmen, einverstanden.
2. Es wird ein vorbereitender Arbeitsausschuß gewählt, welcher das Profekt weiter bearbeiten und einer weiteren Versammlung, welche möglichst innerhalb 10 Tagen stattfinden soll, Bericht erstatten wird. Zu dieser Versammlung sollen die heutigen Teilnehmer und weitere Kreise, deren Anwesenheit erforderlich oder erwünscht erscheint, geladen werden. 
Der vorbereitende Arbeitsausschuß soll aus fünf Personen bestehen, die nach ihrem Ermessen Cooptation vornehmen können, und zwar auch von solchen Personen, die der heutigen Versammlung nicht beigewohnt haben.
Der Arbeitsausschuß soll mit den Vertretern der verschiedenen in Betracht kommenden Sprech- und Tonfilm-Apparat-Systeme Fühlung nehmen und Verhandlungen über den Eintritt in das zu bildende Syndikat aufnehmen. Die heute anwesenden Vertreter dieser Systeme werden zu Händen des vom Arbeitsausschuß zu benennenden Vorsitzenden eine Persönlichkeit bezeichnen, die für die weiteren Aufklärungen und Verhandlungen mit dem Arbeitsausschuß für das betreffende System bevollmächtigt wird.
3. Die Vertreter der verschiedenen Systeme verpflichten sich, bis zum 14. August 1928 möglichst keine neuen Bindungen hinsichtlich ihres Systems einzugehen. Sofern dies aber zur Wahrung ihrer eigenen Interessen absolut erforderlich erscheint, so verpflichten sie sich, diese Bindungen so vorzunehmen, daß dieselben keine neuen Schwierigkeiten für ihre Verhandlungen über die Überführung in das Deutsche Ton-Bild-Film-Syndikat darstellen, sondern im Hinblick auf das evtl. Zustandekommen des Syndikats gestaltet werden.

Film-Kurier, Nr. 172, 20.7.1928


Die Tobis wird gegründet.
Unter Führung der Commerz- und Privatbank. - Auch das D.L.S. beteiligt sich.

Wie wir erfahren, wird das Deutsche Tonbild-Syndikat, die Tobis nunmehr sicherlich zustande kommen. Die offizielle Bekanntgabe dürfte nur eine Frage von Stunden sein. Die Führung des neuen Unternehmens, dem gewaltige Aufgaben bevorstehen, liegt bei der Commerz- und Privatbank.
Die erfolgte Gründung ist hauptsächlich auf die Initiative des Commerzbank-Direktors Curt Sobernheim zurückzuführen.
Der deutschen Tonfilmbewegung drohte die Gefahr, von den Apparatebau-Fabriken völlig beherrscht zu werden. In klarer Erkenntnis der Situation schließen sich daher alle Tonfilmsysteme zusammen. Auch das D.L.S. und die Küchenmeister-Gruppe treten der Tobis bei. 
Es wird also jetzt die Basis geschaffen, auf der man praktische Arbeit leisten kann.


Film-Kurier, Nr. 205, 28.8.1928




Endlich ist die Basis gefunden.

Tobis teilt mit: 
Die langwierigen Vorarbeiten zur Zusammenarbeit der maßgebenden und erprobten Tonbildverfahren in Deutschland sind nunmehr durch die Bildung der Ton-Bild-Syndikat A.G. mit einem Kapital von 12 Millionen Mark zum Abschluß gelangt.
Die Grundlage für diesen Zusammenschluß bilden die folgenden Verfahren: das Tri-Ergon-Ton-Bild-Verfahren, ferner das im Besitz der Internationale Maatschappij voor Sprekende Films befindliche Küchenmeister-Verfahren, das im Besitz der Deutsche Tonfilm A.G. befindliche Petersen-Poulsen-Verfahren und das neue Synchronisierungsverfahren von Oskar Meßter. Verhandlungen über die Angliederung weiterer Verfahren stehen vor dem Abschluß. 
Der Wirkungskreis des Syndikats wird sich sowohl auf Deutschland, wie auch auf das gesamte Ausland erstrecken, soweit das Syndikat Rechte besitzt.
Der erste Aufsichtsrat der Syndikats-Aktiengesellschaft besteht aus den Herren: Bankdirektor Curt Sobernheim (Commerz- Privat-Bank A.G.), Berlin, Vorsitzender; Generalkonsul Senator e.h. Heinrich Brückmann, Berlin, stellvertretender Vorsitzender; Bankier Dr. Bausback (Hugo Oppenheim u. Sohn), Berlin; Direktor Dr. Adolf Blatter, Zürich; Rechtsanwalt Dr. Richard Frankfurter, Berlin; Rechtsanwalt Dr. Richard Ikle, St. Gallen; Bankier Hugo Kaufmann (N. V. Hugo Kaufmann u. Co.'s Bank), Amsterdam; Oskar Meßter, Berlin; Bankier D. Pieter Out (H. Oyens en Zonen), Amsterdam; Bankier Heinrich Rosenthal (S. Schönberger u. Co.), Berlin; Konsul Dr. Heinrich von Stein (I. H. Stein), Köln; Direktor Cornelius Woldringh (Niederländ. Indische Handelsbank), Amsterdam.

Film-Kurier, Nr. 208, 31.8.1928

 

Tobis-Gründung für das Auslandsgeschäft.

Die Tonbild-Syndikat Aktiengesellschaft hat die in ihrem Besitz befindlichen Patente, soweit sie sich auf das außerdeutsche Ausland erstrecken, an ein internationales Konsortium verkauft, dem amerikanische, französische und holländische Gruppen angehören.
Dieses Konsortium wird in enger Anlehnung und unter maßgeblicher Mitwirkung der Tobis arbeiten und in den einzelnen Ländern nationale Tobis-Gesellschaften begründen, um dort auf Grund der deutschen Erfahrungen die Tobis-Patente auszuwerten. Selbstverständlich ist auch eine enge praktische Zusammenarbeit durch Lieferung von Apparaturen und Austausch von Film-Programmen beabsichtigt. 
Hierzu erfahren wir noch, daß der holländische Partner die bekannte Küchenmeistergruppe ist, daß sich in Paris ein namhaftes Bankhaus interessierte und daß in Amerika ein Konsortium beteiligt ist, daß schon in Film- und Schallplattengeschäften tätig war. 
Der Tobis teilt mit, daß eine sehr beträchtliche Summe für die Abstoßung der Auslandspatente gezahlt worden ist, die das Patentkonto dieser Gesellschaft sehr entlastet. Bekanntlich mußte die Tobis seinerzeit die in ihr zusammengeschlossenen Verfahren aufkaufen.
Neben der sofortigen Zahlung ist noch vorgesehen, daß die Tobis laufend an den Erträgnissen der ausländischen Tobis-Gesellschaften beteiligt ist.
Film-Kurier, Nr. 40, 14.2.1929

Film-Kurier, Nr. 40, 14.2.1929


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