Tonfilmkrieg / Tonfilmfrieden. Materialien zum 15. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 20. - 24. November 2002.

Zusammenfassungen der Vorträge


[Ankündigung] [Materialien] [Gesamtprogramm[Filme] [Bilderbuch]

Francesco Bono, Rom:
Tobis an der blauen Donau

Die Geschichte des österreichischen Films in den 30er Jahren ist auch die Geschichte einer wachsenden Abhängigkeit vom deutschen Kino bzw. vom "Dritten Reich" - einer wirtschaftlichen und ideologischen Unterwerfung, die den militärischen und politischen "Anschluss", der im März 1938 erfolgte, vorwegnimmt.
In dieser Geschichte spielte die Tobis eine prominente Rolle. In der Auseinandersetzung zwischen dem Konzern und der amerikanischen Western-Electric fällt der Tobis beim Pariser Tonfilmfrieden Österreich als Monopol-Gebiet zu. Die österreichische Selenophon Licht-und-Tonbildgesellschaft, in Besitz eines eigenes Patents, konnte dieser Konkurrenz nicht Stand halten. Von den Schwierigkeiten profitierend, mit denen das österreichische Kino kämpfte, erwarb die Tobis einen Teil der Sascha-Film, die ihren Namen in Tobis-Sascha änderte. Durch den Ankauf erreichte die Tobis eine dominierende Position im österreichischen Kino.
Die Geschichte stellt einige Fragen, mit denen sich die österreichische Forschung in letzter Zeit beschäftigt hat: Es geht um die Konsequenzen dieser Entwicklungen für das österreichische Kino und um die Rolle, die die Tobis in diesem Prozess gespielt hat.
Zur bislang wenig erforschten Geschichte der Tobis in Österreich gehört auch die Zusammenarbeit, die der Konzern mit Willi Forst entwickelte, dem erfolgreichsten Regisseur Österreichs. Die Allianz umfasste mehrere Ebenen, gipfelte in der Produktion von BEL AMI und wirft ein Licht auf die Strategien der Tobis in Österreich.


Thomas Brandlmeier, München:
Tobis-Studiofilme 


Die Studiofilme waren Fingerübungen angehender Regisseure, Talentproben für die Entscheidungsträger der Tobis. Wir reden also von Filmen, die mediengeschichtlich ein Kuriosum sind, weil sie nur fürs Regal produziert wurden, und die kommunikationswissenschaftlich gegenstandslos sind, weil sie die Öffentlichkeit nicht erreichten. 
Sie teilen ihr Schicksal in mancher Hinsicht mit so exotischen Sumpfblüten der Filmwissenschaft wie Überläufern, Kontingentfilmen und einigen Konzeptfilmen aus der Kunstszene. Sie jetzt einer kritischen Würdigung zu unterziehen, ist einerseits möglich mit dem gesamten Instrumentarium, das dem Filmwissenschaftler zu Verfügung steht. Andererseits sollte man überlegen, ob man nicht ein Hyperinstrumentarium benötigt. Hilfreich könnte das Moment der Identität in der Nichtidentität sein: Dasselbe Sujet mehrfach verwendet oder Personen, Objekte und Schauplätze treten in eine Serie von Invarianzen und Singularitäten ein.


Geoff Brown, London:
Tobis-Klangfilm in England

This presentation explores the Tobis group's efforts to establish themselves in the British film industry. Klangfilm establishes a link with British Instructional Films, but the cost of sound installation at Welwyn studios helps to trigger BIF's downfall; the company is taken over, and American equipment is installed instead. 
The Tobis group make more headway at Wembley through its partnership in Associated Sound Film Industries, established in October 1929. ASFI ambitiously aim to make international, multi-lingual features. THE CITY OF SONG, released early in 1931, features the Polish tenor Jan Kiepura: it is his first film. By the spring THE BELLS is ready, based on a famous stage melodrama. But these bells scarcely ring at all: the film receives seven cinema bookings in Britain, and none at all abroad. Faced with huge costs and minimal receipts, ASFI collapses. 
America easily wins the sound battle in Britain. British sound systems find a modest place; Tobis finds no place at all.


Karel Dibbets, Amsterdam: 
Tobis in the Netherlands

In May 1929 a group of Dutch bankers bought a majority of shares in Tobis AG, in a move to control the emerging sound film industry of Europe. 
I will try to explain why and how Dutch venture capital could become a major influence in Tobis during its founding years. My paper is based on findings in Dutch and German archives. I will discuss the early relationship between German inventors and Dutch bankers in the 1920s, the planning of a multinational multimedia conglomerate, and its financing methods. The paper will analyze the success and failure of the plan in the light of the economic bubble at the time, which bears more than a slight resemblance to today's economic crisis. The collapse of the Dutch enterpise resulted in the creation of Intertobis in 1932, and the sale of Tobis to Nazi Germany in 1935.


Jeanpaul Goergen, Berlin:
Einübung des Tonfilms
Die Tobis-Kurzfilme von 1929


Die Tobis-Kurzfilme des Jahres 1929 verfolgten die Strategie, das noch umstrittene Medium Tonfilm zu nobilitieren, die Leistungsfähigkeit der Tonfilmtechnik zu demonstrieren sowie kostengünstig neue ästhetische Lösungen auszuprobieren. 
Leider sind nur wenige Kurzfilme der Tobis-Jahresproduktion 1929 erhalten. Dennoch vermitteln Filme wie DIE KAPELLE ETTÉ SPIELT DEN BOSTON RAMONA (Januar 1929), THOMAS MANN: "WORTE ZUM GEDÄCHTNIS LESSINGS" (Februar 1929), UND NELSON SPIELT (Februar 1929), DIE KLANGWELT DES ROKOKO (Februar 1929), WIE EIN TRICKFILM ENTSTEHT (April 1929), AUS DER WELT DER GERÄUSCHE (April 1929) sowie DIE SENDUNG DES TONFILMS (April 1929) einen Eindruck von der Experimentierfreude und Kreativität der Tonfilmpioniere in diesem entscheidenden Jahr des großen Medienumbruchs.


Malte Hagener, Berlin:
Europäische Strategien der Tobis

Nach dem Pariser Tonfilmfrieden hatte die deutsche Industrie in Europa eine Hegemonialrolle inne. Während die Ufa zur Kontrolle der großen europäischen Märkte vor allem auf die Herstellung von aufwändigen Musikfilmen in verschiedenen Sprach-Versionen setzte, scheint die Tobis eine andere Strategie verfolgt zu haben: Über die Gründung von Filialen in unterschiedlichen Ländern suchte die Tobis ihre Patente, Herstellungsmethoden und nicht zuletzt ihren Namen in ganz Europa zu etablieren.
War also die Tobis das erste Franchiseunternehmen der Filmgeschichte? Anhand von Quellenmaterial möchte ich vor allem die Tobis-Gründungen in Frankreich und Portugal beleuchten, um der Frage nachzugehen, inwieweit die Tobis tatsächlich eine europaweite Strategie besaß, beziehungsweise welche Ziele das deutsch-niederländische Mutterhaus verfolgte. Dabei spielen die produzierten Filme ebenso eine Rolle wie die Produktionsweise und Mitarbeiter, auf die zurückgegriffen wurde. Die Kernfrage lautet also: Besaß die Tobis eine bewusste Strategie zur Penetration des europäischen Marktes oder ist die Expansion ein Resultat von Zufällen zu einer Zeit der Unsicherheit und Unübersichtlichkeit?


Evelyn Hampicke, Berlin:
Wilhelminischer Macho oder völkischer Krieger. Nationalsozialistische Vaterbilder in Filmen des Staatskonzerns Tobis

Das nationalsozialistische Mutterbild ist eindeutig definiert. "Vaterdefinitionen" waren eher Mangelware. Der Mann war hauptsächlich Soldat und Krieger, Energie und Ausdauer bestimmten seinen Charakter. Menschliche Gefühle besetzten die hinteren Plätze im Kampf um die völkische Idee. Zäh wie Leder, hart wie Krupp-Stahl und schnell wie die Windhunde. Aber der deutsche Mann war nicht nur Zeuger erbgesunden Nachwuchses, er hatte auch mit seinen Kindern zu schaffen. Die Erziehungsziele waren in Hitlers "Mein Kampf" eindeutig definiert. Was davon finden wir in den Tobis-Filmen als Propaganda oder unterhaltende Kurzweil wieder? Oder sehen wir nur die Fortschreibung des wilhelminischen Familienvorstandes?


Renata Helker, Berlin:
Stars bei der Tobis.
Emil Jannings, Schauspieler und Produzent


Mit den Namen zugkräftiger Stars wie Hans Albers, Johannes Heesters, Kirsten Heiberg, La Jana, Theo Lingen, Carl Raddatz und Olga Tschechowa hatte sich der Filmkonzern Tobis zu einer der größten und erfolgreichsten Produktionsgesellschaften der deutschen Filmwirtschaft entwickelt. 
Doch im Zuge der wirtschaftlichen Krise, die die gesamte deutsche Filmindustrie erfasst hatte, stand die Tobis 1936/37 vor dem Konkurs. Nach der Verstaatlichung durch das NS-Regime übernahm der Schauspieler Emil Jannings 1938 zunächst die künstlerische Oberleitung des Konzerns, wenig später beanspruchte er die eigenständige Produktion seiner Filme.
Emil Jannings, der mit Filmen wie DER LETZTE MANN (1925), VARIETE (1925) und DER BLAUE ENGEL (1929/30) zum internationalen Spitzenstar aufgestiegen war, der unter den filmkünstlerisch anspruchsvollsten Regisseuren des Weimarer Kinos wie Ernst Lubitsch, F. W. Murnau und E. A. Dupont gespielt und vornehmlich im Rollenfach des gescheiterten und erniedrigten Mannes brilliert hatte, verkörperte in den Filmen der Tobis-Filmkunst GmbH fast ausschließlich autoritätsheischende und/oder tyrannische Figuren und damit einen nationalsozialistisch gewünschten Führertypus. Mit einer Ausnahme (DER ZERBROCHENE KRUG, 1937) sind alle Produktionen den nationalsozialistischen Propagandafilmen zuzurechnen: DER HERRSCHER (1936/37), ROBERT KOCH - DER BEKÄMPFER DES TODES (1939), OHM KRÜGER (1940/41), DIE ENTLASSUNG (1942). 
In Bezug auf die Funktion, die Emil Jannings als Schauspieler und Produzent bei der Tobis-Filmkunst GmbH wahrnahm, gilt es folgende Aspekte zu beleuchten: das Verhältnis von Emil Jannings zu den Mächtigen des NS-Regimes sowie die Entwicklung der Tobis-Filmkunst GmbH unter der künstlerischen Oberleitung des Schauspielers. Vorrangiges Erkenntnisinteresse gilt der Lektüre der Filme unter besonderer Berücksichtigung der dargestellten Figuren und der schauspielerischen Gestaltung im Kontext propagandistischer Bedeutungsinhalte. 


Knut Hickethier, Hamburg:
Die Tobis nach 1945

Der Weg der Filmproduktionsfirma Tobis nach 1945 ist insofern aufschlussreich, weil es kein einfaches "Ende" gegeben hat. Der Beitrag skizziert die Entwicklung der Ufa-Film GmbH (UFI), deren Teil die Tobis AG während des Krieges geworden war, und zeigt dabei, wie die Tobis zwischen die Fronten des Kalten Krieges geriet und im Westen als "Restmasse" Mitte der 50er Jahre Teil des neu gegründeten Ufa-Konzerns wurde und mit ihm 1962 endgültig unterging, während im Osten die Studios unter anderem Namen fortbestanden. Der Beitrag fragt nach den filmökonomischen Strukturen, die auf dem Erbe der Tobis in der Bundesrepublik entstanden sind.


Jan Kindler, Berlin: 
Zwischen Tobis, Wehrmacht und Partei.
Die "Marine-Dokumentarfilmstelle" in 
Paris und das gescheiterte Projekt eines "Films der Kriegsmarine über den Krieg"


Anhand einer Fallskizze zu Entstehung, Struktur, Arbeitsweise und Scheitern der "Marine-Dokumentarfilmstelle" in Paris (1941/42) werden spezifische Probleme militärischer Filmproduktion im Netzwerk institutioneller Anarchie des nationalsozialistischen Herrschaftssystems aufgezeigt. Grundlage sind Aktensplitter aus dem BA-MA, Angaben eines ehem. Angehörigen und Tagebuchnotizen von Propagandaminister Goebbels. 
Neben einer Rekonstruktion des Scheiterns eines gemeinschaftlichen Filmprojektes von Marine, OKW und Tobis werden auch die möglichen Motive der verschiedenen Akteure untersucht. Filmpropagandistische Ambitionen der Marine und Machtinteressen von OKW und Propagandaministerium werden aus den institutionellen und militärisch-politischen Kontexten entwickelt, zu den Motiven der Tobis müssen Thesen aufgestellt werden. Dabei zeigt sich die geschmeidige Anpassung eines verstaatlichten Filmkonzerns an ein System ständiger Ämterrivalität mit einer Umwandlung wirtschaftlicher Konkurrenzprinzipien in ein administrativ-intrigantes Rangeln um Aufträge und Ressourcen. Insbesondere rivalisierende Interessen an einer Absicherung von kompetentem Filmpersonal geraten in den Blickpunkt und zeigen auf, wie ein Filmprojekt zum Vehikel institutioneller Machtkämpfe wurde. 


Donata Koch-Haag, Berlin: 
"Die größte aller Erfahrungen"
Militär und Krieg in den Filmen der Tobis


Den Deutschen war das Heer immer mehr als Mittel zum Erreichen militärischer Zwecke. Es stellte vielmehr einen umfassenden Sinnträger, der für Elias Canetti aus der natürlichen Symbolik des Waldes herauswächst: "was anderen am Heer kahl und öde erscheinen mochte, hatte für den Deutschen das Leben und Leuchten des Waldes". 
Nach 1870/71 wurde das Militär zum verbindlichen Modell, "Schule der Männlichkeit" und idealisiertes Selbstbild der im technologischen, wirtschaftlichen und sozialen Umbruch befindlichen wilhelminischen Gesellschaft als klar gegliederte, harmonische Ganzheit. Nach Versailles wurde den Deutschen dieser identitätsstiftende Leitsignifikant verboten und gewann im kollektiven Bewusstsein phantasmatische Qualitäten, aufgeladen mit Verlust und Verlangen: ein semiotischer Sprengstoff, der schon in kleinen Dosierungen eine ungeheure textuelle Wirkung entfalten kann.
Wenn also in Filmen der "gleichgeschalteten" Tobis der späten 30er und frühen 40er Jahre für die geschlossene militärische Masse als Verdichtungsform der Volksgemeinschaft, für Fliegerglamour und Opferkult geworben wird, so handelt es sich wie bei jeder guten Propaganda nicht um eine eindirektionale Kommunikation, sondern eine Vernetzung der beim Zuschauer bereits vorhandenen Besetzungen mit konkreten propagandistischen Botschaften. Neben einer Übersicht über die verschiedenen an das Militärische gekoppelten Themenkreise soll in diesem Beitrag versucht werden, spezifische Repräsentationsstrategien aufzuzeigen und deren konnotative Topografie zu rekonstruieren. Besonderes Augenmerk soll dabei auf die Verbindung von Militärischem und Musikalischem als Parallelisierung und Verknüpfung von Entgrenzungsphänomenen gerichtet werden.


Gerald Koll, Kiel:
Webfehler im Fadenkreuz
Nachbesserungen der Familie im nationalsozialistischen Unterhaltungsfilm


ALTES HERZ WIRD WIEDER JUNG (1942/43) - der gemütlich altväterliche Titel wirkt verdächtig, wenn man auf das Produktionsjahr schaut. Oder reagieren wir zu nervös, wenn wir hinter amüsanten Unterhaltungsfilmen sogleich perfide nationalsozialistische Propaganda wittern?
Vordergründig ist die Harmlosigkeit der Komödie beeindruckend: Von einem alten, knorrigen Schokoladenfabrikanten (Emil Jannings) wird da erzählt, der auf unverhoffte Weise seine Enkelin kennenlernt und dabei merkt, dass sein Herz aus Schokolade und eher zart als bitter ist.
Brisanter sind die Hintergründe. Geht es doch auch um Abstammungsnachweise, um neue Ordnungen und ihre Vervollkommnung, die sich massiv auf das Sexualverhalten erstreckt. Ein doppelbödiger Unterhaltungsfilm: Die Präsentation von Hakenkreuzen erschreckt, müsste sie aber nicht; die Vermittlung von Ideologie müsste erschrecken, ist indes geschickt versteckt.


Wolfgang Mühl-Benninghaus, Berlin: 
Die Tobis - Von der internationalen 
Patentgesellschaft zum Staatskonzern


Nach längeren Vorverhandlungen wurde am 30. August 1928 die Tobis in Berlin mit dem Ziel gegründet, alle wichtigen deutschen Tonfilmpatente zu vereinen und einheitliche Aufnahme- und Wiedergabeapparaturen herzustellen. Die Schaffung eines europäischen Tonfilmblocks unter federführender Beteiligung der Tobis führte zum zeitweiligen Ausschluss amerikanischer Tonfilme vom mitteleuropäischen Filmmarkt und zugleich zum Aufbau einer eigenen deutschen Tonfilmtechnik.
Die von Tobis und Klangfilm geforderten Lizenzgebühren bedingten eine erhebliche Kostensteigerung der Filmproduktion. Da die vielen kleinen Filmunternehmen nicht in der Lage waren, die Lizenzkosten vorzufinanzieren, wurden sie von der Tobis gestundet. Das Syndikat wurde somit in der Weltwirtschaftskrise zu einer Art Filmkreditbank. Mit dem Kauf der gesamten Filmproduktion der Radio-Keith-Orpheum Ende 1931 und deren Synchronisation sowie einer verstärkten Eigenproduktion von Tonfilmen im gleichen Jahr, mit dem Ziel, die eigenen Investitionen in Ateliers und Technik besser auszulasten, entwickelte sich die Tobis neben der Ufa zu einem der wichtigsten deutschen Tonfilmproduzenten. 
Das Ende der Ultraphon beschleunigte die Krise des holländischen Küchenmeister-Konzerns. Als Teil des Konzerns musste die Tobis 1933 neu organisiert werden. Im Geschäftsjahr 1936/37 beliefen sich die Verluste der Tobis AG auf 2,6 Mio RM. Dies führte zu einer erneuten Reorganisation des Konzerns. Die Spielfilm- und Wochenschauproduktion sowie Vertrieb und Verleih wurden in der Tobis Industriegesellschaft mbh zusammengefasst. Das ursprüngliche Kapital von 1 Mio RM wurde von der Cautio auf 8 Mio RM erhöht und das staatsmittelbare Unternehmen in Tobis Filmkunst GmbH umbenannt. Der Tobis verblieb der Verleih von Apparaturen und Ateliers sowie ihre Zuständikeit für Patent- und Lizenzfragen.
1942 wurde Tobis Filmkunst in den Ufa/UFI-Konzern überführt und 1943 die Tobis Tonbild-Syndikat AG in eine GmbH umgewandelt und ebenfalls in den Staatskonzern integriert.


Tobias Nagl, Berlin
"Mann ohne Volk" und "Volk ohne Raum"
Geopolitik, völkischer Antiimperialismus und die Mythisierung des Kolonialen in Hans Steinhoffs OHM KRÜGER


Hans Steinhoffs Tobis-Produktion OHM KRÜGER (1941) war nicht nur einer der teuersten, sondern auch einer der insgesamt erfolgreichsten NS-Filme: Unter der "Gesamtleitung" vom Emil Jannings für 5,4 Millionen RM hergestellt, erhielt der antibritische Propagandafilm auf den Filmfestspielen in Venedig den "Mussolini-Pokal"; Goebbels schuf für ihn erstmalig das Prädikat "Film der Nation". 
Flankiert wurde die Rezeption in der gleichgeschalteten Presse durch Pressematerial, das in seinem schieren Umfang seinesgleichen sucht: Zumindest kurzfristig erschien der historische Kampf der Buren in Südafrika gegen das britische Empire als Kampf eines rassisch verwandten "Brudervolkes" gegen die "westlichen Plutokratien". 
Doch bereits der Sicherheitsdienst der SS berichtete von kritischen Stimmen, die einklagten, dass das burische "Mischvolk" im Hinblick "auf die kolonialen Aufgaben Großdeutschlands nach dem Endsieg nicht als germanisches Idealbild herausgestellt werden" dürfe. 1944 wurde der Film schließlich zurückgezogen. 
Genrefragen und die Rezeptionsgeschichte aufgreifend, soll hier versucht werden, OHM KRÜGER sowohl im Kontext der geopolitischen Entwürfe anderer Tobis-Produktionen (DER FUCHS VON GLENARVON, MENSCHEN IM STURM) wie vor dem wechselnden Hintergrund der wilheminischen wie nazistischen Kolonialpolitik zu situieren.


Alexandra Obradovic, Hamburg:
René Clair und die Tobis

Vor den Toren von Paris entstand mit dem Studio Epinay der französischen Tobis eines der modernsten Tonfilmateliers in Europa. Der Ableger der deutschen Tobis, die französische Société des Films Sonores Tobis, verpflichtete einheimische und ausländische Regisseure für ihre ersten Tonfilmproduktionen.
Der junge René Clair, bekannt geworden mit den Avantgarde-Filmen PARIS QUI DORT und ENTR'ACTE, drehte Anfang der 30er Jahre mit der Tobis insgesamt nur 4 Filme, diese waren allerdings richtungsweisend für alle weiteren Tonfilme. Mit seiner kontrapunktischen Tonanwendung, gesungenen Dialogen und Geräuscheffekten prägte Clair gar den "Clairismus" und fand viele Nachahmer unter seinen Kollegen. Deswegen verwundert Clairs ambivalentes Verhältnis zum Ton - der Verfasser von Schriften, die sich sehr kritisch gegenüber dem neuen Medium äußerten, war gleichzeitig einer der experimentierfreudigsten Regisseure seiner Zeit, wie eine Analyse von LE MILLION und À NOUS LA LIBERTÉ zeigen wird.


Daniel Otto, München:
Der Bürgermeister a.D. und der Filmkonzern. 
Gleichschaltung und Verstaatlichung des deutschen Films am Beispiel der Tobis AG


Die "Disziplinierung des Film- und Theatersektors" per Vereinheitlichung, Konzentration und Führung durch eine starke Hand war zum Zeitpunkt der Machtergreifung der Nationalsozialisten ein alter Hut: Bereits ein Jahr zuvor hatte die SPIO (Spitzenorganisation der deutschen Filmindustrie e.V.) genau diese Forderungen erhoben. 
Wie die Pläne der SPIO von der neuen Regierung vereinnahmt und mit Schaffung des institutionellen, rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmens umgesetzt wurden, soll im Rahmen des Vortrags beleuchtet werden. Wie und warum die defizitäre, hoch verschuldete und dazu in ausländischer Hand befindliche Tobis-Film AG, die nicht einmal Mitglied der SPIO war, mit Hilfe des Bürgermeisters a.D. Max Winkler und seiner Cautio Treuhand "heim ins Reich" geholt und nebenbei saniert wurde, bietet ein anschauliches Beispiel für die Darstellung von Mechanismen, Funktionsweise und ökonomischen Beweggründen für die Verstaatlichung der Filmindustrie.


Harro Segeberg, Hamburg:
Die großen Deutschen. Zur Renaissance des Propagandafilms um 1940

Film meint auch im "Dritten Reich" weit mehr als die optische Veranschaulichung einer mehr oder weniger gut versteckten ideologischen Botschaft. Verlangt wird vielmehr, "zu elementaren Konfliktstellungen zu kommen, die mit den natürlichen Sinnen, den Augen und Ohren, ohne komplizierte Denkprozesse aufgenommen, das heißt unmittelbar erlebt werden können". (J. Goebbels 14./15.2.1941). 
Dies gilt auch und vor allem für die Jahre 1940-42, in denen das zu dieser Zeit anscheinend siegreiche "Dritte Reich" die filmischen Strategien seiner medialen Selbstinszenierung ebenso selbstgewiss wie suggestiv perfektionieren konnte. Dazu werden im Bereich der gesamten Filmproduktion in fiktionalen wie nicht-fiktionalen Filmen die Blitzkriege der Jahre 1939/40 gefeiert (DER SIEG IM WESTEN, STUKAS, 1941), die Volksgemeinschaft soll im filmisch inszenierten Medien-Ereignis des WUNSCHKONZERTS (1940) zusammenfinden, der Bildungsbürger kann sich an der Aneignung von Kunst und Literatur erfreuen (DER POSTMEISTER, 1940), und das Melodram rührt nach wie vor zumal weibliche Herzen (MUTTERLIEBE, 1939). Dem Rassenfeind wird dagegen unter dem Vorwand der Rassentrennung der Genozid der Rassen-Vernichtung angekündigt (DER EWIGE JUDE, JUD SÜSS, 1940). Es ist dieser Produktionskontext, zu dem die Tobis-Filme über das politische Vermächtnis großer "Führerpersönlichkeiten" wie BISMARCK (1940) oder OHM KRÜGER (1941) beisteuert. Hinzu kommen Filme, die bereits zuvor die medizinischen Spitzenleistungen großer Forscherpersönlichkeiten herausstellten (ROBERT KOCH, 1939), dem militärischen Genie Hitler das dichterische Genie Schiller zuordnen (FRIEDRICH SCHILLER. DER TRIUMPH EINES GENIES, 1940) oder von der Euthanasie wie von einer medizinischen Wohltat immer noch großer Ärzte handeln (ICH KLAGE AN, 1941) Aber auch über die Anforderungen an einen totalen Krieg wird am Beispiel des GROSSEN KÖNIGS Friedrich von Preußen (1942) verhandelt. Davon und von der Aufforderung Goebbels' "Möchten Sie nicht in diesem Film eine Rolle übernehmen?" (17.4.1945) ist anhand ausgewählter Beispiele zu sprechen. Sowie auch darüber, ob und wenn ja wie ein filmverwöhnter Zuschauer dieser Epoche ein solches Erlebnisangebot auch ausschlagen konnte. 


Karin Unfried, Hamburg: 
Guido Bagier. Biografische Skizze 

Der Vortrag bietet einen Einblick in die Biografie des Musikers, Publizisten und Tobis-Produktionsleiters Guido Bagier. Ein Großteil der Erkenntnisse beruht auf dem Nachlass Bagiers, der dem Filmmuseum der Landeshauptstadt Düsseldorf übergeben worden ist. Darunter ein Exposé Bagiers für eine Autobiografie. Wie wurde der Berliner Guido Bagier vom schwärmerischen (Film-)Musiker zum Aufsichtsratmitglied der neben der Ufa bedeutendsten deutschen Filmproduktionsfirma? Der wichtigste Antrieb für Bagiers Filmschaffen war stets die Etablierung des Tonfilms in Deutschland. Für dieses Ziel setzte er sich trotz vieler Schwierigkeiten voll und ganz ein. Krönung seiner Bemühungen war schließlich die Leitung der Tobis (Tonbild-Syndikat AG) - der ersten deutschen Tonfilmproduktionsgesellschaft. Viele Filme entstanden dort unter seiner künstlerischen und/oder tontechnischen Leitung. 


Michael Wedel, Potsdam: 
Das Tobis-Klangfilm-System und die 
Tonfilmoperette. Zur Materialästhetik 
einer neuen Gattungsform

Technikhistorisch betrachtet steht die frühe Tonfilmzeit in Deutschland im Zeichen eines dominanten Systems: 
Tobis-Klangfilm-Aufzeichnungs- und Wiedergabe-Apparaturen bildeten die materiale Grundlage, auf der sich die Tonästhetik des deutschen Films ab 1929/30 ausgeprägt hat. Dem konkreten Zusammenhang zwischen ästhetischem Material und ästhetischer Form, zeitgenössischen Praktikern und Theoretikern des frühen Tonfilms noch selbstverständlich, soll am Beispiel des wohl erfolgreichsten Genres jener Zeit, der Tonfilm-Operette, nachgegangen werden. 
Im Mittelpunkt der exemplarischen Analyse früher Tonfilm-Operetten steht dabei die Frage, inwiefern nicht zuletzt die Studio- und Kinotechnik der Tobis-Klangfilm-Gruppe den Horizont jenes Innovationspotenzials definiert hat, das die Bedeutung dieser speziellen Gattungsform in der Entwicklung des deutschen Musikfilms ausmacht. Zu hinterfragen wäre, ob sich dieser Zusammenhang in der Analogie zwischen technischer Integration von Tonspur und Filmbild einerseits und der "narrativen Integration" von Spiel- und Gesangsszenen andererseits hinreichend beschrieben findet.


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