Kleine Mutti
AT/HU 1935, R: Hermann Kosterlitz

  

Spaß beiseite

Jüdischer Humor, "Arisierung"
und verdrängendes Lachen

17. Internationaler Filmhistorischer Kongress
im Rahmen des
I. Internationalen Festivals des
deutschen Filmerbes

Sichtung:
20. - 23. Mai 2004, Berlin
(Zeughauskino im
Deutschen Historischen Museum)

Festival
13. - 21. November 2004, Hamburg

Kongress
17. - 20. November 2003, Hamburg
(Gästehaus der Universität, Metropolis-Kino)

  Ankündigung / Internes Programm


Sichtung: 20. - 23. Mai 2004

Öffentliches Programm 

Donnerstag, 20. Mai

18.15 Allotria D 1936, R: Willi Forst,
mit Jenny Jugo, Renate Müller, Adolf Wohlbrück, Heinz Rühmann
ca. 100 Min.

Willi Forst inszenierte die prominent besetzte Komödie nach einem Drehbuch, das er zusammen mit Jochen Huth verfasst hatte. Zwei Freunde geraten durch Versprechungen, Heimlichkeiten und Verwechslungen in Turbulenzen und amouröse Nöte: Obwohl sich der Plantagenbesitzer Philipp (Adolf Wohlbrück) und sein bester Freund, der Rennfahrer David (Heinz Rühmann), das Ehrenwort gegeben haben, sich nie in dieselbe Frau zu verlieben, scheint nun doch die Katastrophe perfekt. Statt sich um seine Freundin Aimée (Hilde Hildebrand) zu kümmern, hat sich Philipp auf seinen Reisen in Viola (Renate Müller) verliebt, jedoch versäumt, klare Verhältnisse herzustellen. Bei einem Besuch bei seinem alten Freund entsteht der Eindruck, Davids neue Verlobte sei niemand anderes als Viola. Und obschon David in Wahrheit die forsche Gaby (Jenny Jugo) heiraten will, dauert es noch, bis sich die Fäden entwirren, und bald zarte Rachegelüste an die Stelle der Verwirrung treten.

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20.30 Kleine Mutti AT/HU 1935, R: Hermann Kosterlitz
mit Franziska Gaál, Friedrich Benfer, Otto Wallburg
ca. 100 Min., Video

Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten in Deutschland wurde auch in der österreichischen Filmproduktion in vorauseilendem Gehorsam der "Arierparagraph" zur Verfemung jüdischer Künstler angewandt. Umso beeindruckender sind die Filme der Universal-Film, die in Wien als unabhängige Produktionsfirma weiterhin deutschsprachige Filme produzierte. Dazu gehört "Kleine Mutti", einer der größten Erfolge des kongenialen Trios aus Regisseur Henry Kosterlitz, Autor Felix Joachimson und ihrem Star, der großartigen – und aus der Filmhistorie verdrängten – Franziska Gaal. Als Waisenkind Marie, die ein ausgesetztes Baby findet und für dessen Mutter gehalten wird, kann Gaal in dieser tempo- und wendungsreichen Farce sämtliche Register ziehen. Somit ist "Kleine Mutti" zugleich eindruckvoller Beleg für eine moderne europäische screwball comedy und das wiederentdeckte Vermächtnis von Kosterlitz, Joachimson und Gaal, deren gemeinsame Arbeit mit der erzwungenen Emigration endete.


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Freitag 21. Mai

18.15 Das Kabinett des Dr. Larifari D 1930, R: Robert Wohlmuth
mit
Max Hansen, Paul Morgan, Carl Jöken, Erik Ode
ca. 80 Min.

In dieser turbulenten Film-im-Film-Komödie feiert das Berliner Kabarett der Weimarer Republik seine Auferstehung. Drei der damaligen Stars – Paul Morgan, Max Hansen und Carl Jöken – spielen sich selbst als drei Freunde, die mit einem kühnen Plan beschließen, ihre chronisch leeren Taschen zu füllen: Sie gründen die Filmgesellschaft Trio-Film (und natürlich ist auch "Das Kabinett des Dr. Larifari" tatsächlich von der neugegründeten Trio-Film produziert worden). Die erste Generalversammlung, bestritten von den Alleingesellschaftern Morgan, Hansen und Jöken, wird zum flotten Sammelsurium der kuriosesten Filmstoff-Vorschläge. Dabei kommen die drei Komiker (mindestens) zu Doppelrollen, doch schließlich werden die vorgespielten Ideen zugunsten eines "Familienfilms" verworfen. Dass es auch bei der Herstellung dieses Projekts zu amüsanten Katastrophen kommt, ist Ehrensache. Die Freiheit des absurden Humors im "Kabinett des Dr. Larifari" besteht nicht zuletzt darin, dass hier so ziemlich alles parodiert wird, was an Stilen, Stereotypen und Stars im deutschen Film zuvor Kasse gemacht hatte.

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20.30 Viktor und Viktoria D 1933, R: Reinhold Schünzel
mit Renate Müller, Hermann Thimig, Adolf Wohlbrück
ca. 100 Min.

Reinhold Schünzels Klassiker – den Schünzel auch als französische Version mit dem Titel "Georges et Georgette" inszenierte – wurde zur Vorlage mehrerer Remakes in England, Hollywood und auch in der BRD der 1950er Jahre. Und gerade der Vergleich mit den späteren Variationen – z.B. mit Blake Edwards "Victor/Victoria" von 1982 – zeigt, dass das Original seine Wirkung bis heute nicht verloren hat: Die junge Schauspielerin Susanne Lohr (Renate Müller) und der Schauspieler Viktor Hempel (Hermann Thimig) scheint das Glück partout nicht hold zu sein. Im Gegensatz zu Susanne hat Viktor zwar ein Engagement, weil ihn jedoch Heiserkeit plagt, droht seine Varieté-Nummer als Damenimitator "Monsieur Viktoria" zu platzen. So übernimmt Susanne den Part, um also eine Viktoria zu spielen, die sich als Viktor entpuppen wird. Dank Susanne wird die Nummer ein Hit – der große Theateragent Punkterin (Aribert Wäscher) verpflichtet "Monsieur Viktoria" und schickt "ihn" auf Tournee, sodass Susanne nun auch jenseits der Bühne als Viktor auftreten muß. Komplikationen und Irritationen sind vorprogrammiert. Das Verkleidungsspiel wird ernst, als sich Susanne in den galanten Robert verliebt, der seinerseits jedoch alles andere als ahnungslos ist.

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Samstag, 22. Mai

18.15 Ein steinreicher Mann D 1931/32, R: Stefan Szekely
mit Dolly Haas, Curt Bois, Adele Sandrock, Paul Hörbiger
ca. 80 Min.

Als anarchisches Dream Team sorgen Curt Bois und Dolly Haas unter der Regie von Stefan Szekely für eine Sternstunde der deutschsprachigen Komödie. Aufhänger für absurde wie turbulente Eskapaden ist hier ein Diamant, den der arme Curt versehentlich verschluckt. Versnobte Adlige, biedere Bürger und begriffsstutzige Gangster schlagen sich um den plötzlich begehrenswerten Habenichts, der jedoch viel lieber mit Dolly eine kleine Rhumba tanzen will. Respektlose Komik, ein sicheres Gespür für Tempo und das unwiderstehliche Gespann Bois und Haas machen den "steinreichen Mann" zu einem immer noch verborgenen Juwel der Filmgeschichte.

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20.30 Ihre Majestät die Liebe D 1930, R. Joe May
mit Käthe von Nagy, Franz Lederer, Otto Wallburg, Adele Sandrock
ca. 100 Min.

Der Ausgangspunkt von Joe Mays musikalischer Komödie um Liebe und Verträge ist rein finanzieller Natur: Weil die Firma seines Bruders Othmar (Otto Wallburg) frisches Kapital benötigt, wird der leichtlebige Fred von Wellingen (Franz Lederer) dazu angehalten, die wohlhabende Frau von Lingenfeld (Lina Woiwode) zu ehelichen. Auch Fred ist von der Firma seines Bruders abhängig, und so nimmt der Plan Gestalt an. Als Freds Ansprüche nach einem besseren Posten im Familienunternehmen jedoch in den Wind geschlagen werden, sieht er nur noch eine einzige Chance, der ungeliebten Vermählung zu entgehen: Er verlobt sich kurzerhand mit der Barbedienung Lia (Käthe von Nagy). Der vorhersehbare Skandal ist Teil von Freds Plan. Lia hingegen hat an Freds Liebe geglaubt und erwägt nun, enttäuscht und mit gebrochenem Herzen, sogar eine Ehe mit dem spleenigen Baron Schwapsdorf (Ralph Arthur Roberts). Doch Lia hat sich nicht komplett in Fred getäuscht – ihn plagt sein Gewissen. Zwar hat er unter Druck ein Papier seines Bruders unterschrieben, dass die Verlobung mit Lia verbietet, doch setzt er nun alles daran, Lia zurückzugewinnen und gleichzeitig das Vertragswerk zu erfüllen. Der Film ist ein Höhepunkt der frühen deutschen Tonfilmkomödie, nicht zuletzt durch sein ausgezeichnetes Ensemple komischer Chargen.

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Sonntag, 23. Mai

18.15 Der brave Sünder D 1931, R: Fritz Kortner
mit Max Pallenberg, Heinz Rühmann, Dolly Haas
ca. 100 Min.

Fritz Kortners Regiedebüt über die Abenteuer des pedantischen Oberkassierers Leopold Pichler gehört zu den vergessenen Perlen deutscher Filmkomödien. Der populäre Bühnenkomiker Max Pallenberg brilliert als Pichler, den es als “braven Sünder” aus einem Spießbürger-Idyll nicht nur auf die vermeintlich schiefe Bahn, sondern ebenso unversehens in eine mondäne Wiener Nachtbar an die Seite der schwarzen Jazz-Tänzerin Kitty (Rosie Pointdexter) verschlägt. Beweggrund der Abenteuer sind 8.000 Schillinge, die Pichler unter Begleitung des ihm unterstellten Kassierers Wittek (Heinz Rühmann noch ohne den notorischen Rühmann-Tonfall) dem Direktor nach Wien nachtragen will. Witteks Problem ist dabei, dass er Pichlers Tochter Hedwig (Dolly Haas) liebt, sich aber gegenüber Pichler kein offenes Wort erlaubt. Als Pichler und Wittek jedoch in der Großstadt "unter die Räder" kommen und ihr Geld verlieren, droht wesentlich größeres Ungemach. Mit mehr Glück als Verstand gelingt es den beiden schließlich, unbescholten aus der Affäre herauszukommen – es bleibt dabei: "Auf Pichler ist Verlaß!"

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20.30 Die englische Heirat D 1934, R: Reinhold Schünzel
mit Adele Sandrock, Fritz Odemar, Georg Alexander, Hans Richter, Renate Müller
ca. 97 Min.

Reinhold Schünzels rasante Gesellschaftskomödie führt Renate Müller als selbstbewußte Berliner Fahrlehrerin Gerte Winter auf einen uralten englischen Familiensitz. Dort getraut sich der verwöhnte Aristokrat Douglas Mavis (Georg Alexander) nicht, seiner herrischen Großmutter (Adele Sandrock) seine heimliche Heirat in Berlin zu beichten. Entsprechende Verwirrungen folgen, als die verheimlichte Gattin Gerte just in dem Augenblick erscheint, als der Duckmäuser Mavis mit einer englischen Adelstochter verkuppelt werden soll und außerdem die verruchte Barsängerin Bella Amery (Hilde Hildebrand) Ansprüche anmeldet. Aber zum Glück ist Gerte patent, die Familie der Mavis spleenig und der einmalige Adolf Wohlbrück als deren galanter Anwalt in der Nähe.


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Eine Veranstaltung mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv, Berlin
Mit freundlicher Unterstützung von
Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden
Deutsches Filminstitut DIF, Frankfurt
Filmmuseum Berlin Deutsche Kinemathek, Berlin
Filmarchiv Austria, Wien
Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg
Universität Hamburg – Institut für Neuere deutsche Literatur und Medienkultur
Zeughauskino des Deutschen Historischen Museums, Berlin

Konzeption: Jan Distelmeyer
Beratung: Hans-Michael Bock, David Kleingers, Erika Wottrich


Informationen 
Informationen bei Erika Wottrich (CineGraph).
CineGraph e.V., Gänsemarkt 43, 20354 Hamburg,
Tel. +49 - (0)40 - 35 21 94 / Fax +49 - (0)40 - 34 58 64,
Email: kongress@cinegraph.de.

 


22-Mar-2004