Triviale Tropen
Materialien zum 9. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 1996
Zeitgenössische Pressestimmen
Afrikanische Urwaldbewohner als Schauspieler
August Brückner
Zu SAMBA. in: Film-Kurier, Nr. 78, 30.3.1928
Der erfahrene Filmregisseur zerbricht sich immer wieder den Kopf darüber, auf welche Weise dem Publikum neue Anregungen zum Kinobesuch gegeben werden können. So werden Filmexpeditionen nach fernen Ländern ausgerüstet, um dort an Ort und Stelle Spielfilme mit Eingeborenen als Darsteller zu drehen. Deutsche, Amerikaner und Franzosen versuchten schon wiederholt in exotischen Ländern das Problem zu lösen, um mit meistenteils wenig brauchbarem Material von dort nach der Heimat zurückzukehren.
Bei meiner letzten Afrikaexpedition, die mich in das Innere des Senegals führte, hatte ich mir zum Ziel gesetzt, einen Spielfilm mit Eingeborenen als Darsteller zu drehen. Obwohl mir von vornherein alle Schwierigkeiten, die meinem Versuch durch den Widerstand der Neger selbst entgegenstanden, bewußt waren, so gelang es doch, durch Überwindung mancher Schwierigkeiten, in Verbindung mit einer grenzenlosen Geduld, recht talentierte Neger zu finden, die sich zum Spiel vor der Kamera bereit erklärten. So zog ich nun mit meiner Kamera und meinen sogenannten Hauptdarstellern über ein Jahr lang im Osten und Westen Senegambiens von Negerdorf zu Negerdorf, Menschen und Landschaft, wie es das Manuskript erforderte, auf den Film zu bannen, der in den nächsten Tagen seine Uraufführung erleben soll.
Die 17jährige Bambaranegerin Fatu ist der weibliche Star dieses ersten Negerfilms, auf die Namen Samba und Sakulu hören die beiden männlichen Hauptdarsteller. Sie alle hatten noch niemals einen Film gesehen, so daß es größter Überredungskunst bedurfte, ihre ängstliche Scheu vor der Kamera zu beseitigen. Aber nicht nur großer Überredungskunst, sondern auch vieler kostbarer Geschenke und Versprechungen bedurfte es und nicht zuletzt auch der Intervention des Ortsältesten, den ich mit Geld gewinnen mußte. Die übrigen Darsteller wurden meist mit Naturalien entlohnt, da das einfache Volk, das niemals aus dem heimatlichen Dorf herauskommt, den Begriff des Geldes nicht kennt.
Wurden an einem Tage mehrere Darsteller, wie Krieger und Frauen gebraucht, so bedurfte es stets langer, sich ins Uferlose hinziehender Verhandlungen mit dem Ortsältesten, der dann stets unsinnige Forderungen stellte, die zu erfüllen unmöglich waren. Nach langem Hin und Her konnte man sich dann endlich auf einer Basis einigen, die kaum den hundertsten Teil der ursprünglich gestellten Forderungen darstellte. Wenn es nun soweit war, daß mit den Aufnahmen begonnen werden konnte, so fehlte gar oft entweder die Hauptdarstellerin oder der Hauptdarsteller. Nachdem Fatu am Ende des ersten Spieltages ihre Gage ausbezahlt erhielt, war sie in den nächsten Tagen nicht aufzufinden. Als sie endlich nach vier Tagen wiederkam, war sie mit neuem Schmuck, wie Armreifen, Muschelketten, Ohrringen und Fetischen aller Art behangen, die sie, den langen und anstrengenden Marsch zur nächsten Faktorei nicht scheuend, dortselbst für die am ersten Tag erhaltene Summe gekauft hatte. Das Geld, was verdient wird, wird auch von allen Eingeborenen sofort ausgegeben. Von den Frauen für Schmuck, von den Männern für Tabak und Kolanüsse.
Um nun die regelmäßige Mitwirkung Fatus zu sichern, mußte ein besonderer Trick angewendet werden. Ganz besonders sind bei allen eingeborenen Frauen goldene Fußringe beliebt. Es wurden solche gekauft und Fatu gezeigt, mit Vermerken, daß sie diese als Geschenk erhalten soll, wenn der Film fertig sei. Ähnlich geschah es mit Samba und Sakulu. Es wurden ihnen prachtvoll gestickte marokkanische Kostüme gekauft, die ihnen Tag für Tag gezeigt wurden, und so gelang es, sie zu bewegen, pünktlich zu den Aufnahmen zu erscheinen.
Große Scheu besitzt der Neger, der selten mit dem Europäer in Berührung kommt, vor dem Photoapparat. Insbesondere wehren sich die Frauen, die nur mit einem Lendenschurz bekleidet sind, dagegen, photographiert zu werden. Erklären sich dennoch nach langen Verhandlungen einige Frauen dazu bereit, so ist in der Regel mit Sicherheit damit zu rechnen, daß sich das ganze Dorf gegen diese Frauen erhebt, und somit die geplante Aufnahme unmöglich gemacht wird.
Obwohl der Neger eine ihm angeborene schauspielerische Begabung besitzt, so gehört doch eine große Geduld und zähe Ausdauer dazu, ihm die einzelnen Szenen zu erklären und beizubringen. Es war fast immer nötig, die gleiche Szene 20- bis 30mal zu drehen, bis sie endlich gelang.
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