Triviale Tropen
Materialien zum 9. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 1996
Zeitgenössische Pressestimmen

Afrikafilm als Idylle

Friedrich Dalsheim im Gespräch

Zu MENSCHEN IM BUSCH. in: Film-Kurier, Nr. 5, 4.1.1930


Dieser Tage ist Dr. Dalsheim von einer fünfmonatigen Filmexpedition aus Afrika zurückgekehrt, die er mit der Ethnographin Gulla Pfeffer unternommen hat. 11000 Meter Afrikafilm bringt er mit.

Dr. Dalsheim ist nach Tropisch-Westafrika gegangen, entschlossen, ein wirklich primitives Afrika zu suchen. Er hat es dort gefunden, wo kein - Kakao wächst, wo Zivilisation nicht hinkommt, weil es sich für Zivilisationsgeschäfte nicht lohnt.

An der Goldküste ist er gelandet und nach Togo hinübergegangen, um fern von den Haupttransportwegen in Chelekpe, im Adaklugebiet bei Ho, das Leben des Ewevolkes im Busch zu beobachten und aufzunehmen.

Vorbereitungen für diese Expedition? Dr. Dalsheim ist sein eigener Operateur gewesen. Er hat sich eine Debrie-Kamera genommen, hat sich von Schünemann und Lagorio unterweisen lassen.

So beginnt er zu drehen, probiert draußen Einstellungen aus und lernt beim Arbeiten am Arbeiten selbst.

»Wo ich irgend konnte«, erzählt er, »habe ich die Filmrollen sofort nach Europa geschickt, weil das feuchte Klima zu fürchten ist. Ich habe mich darum daran gewöhnt, nachts nicht einen Meter mehr in der Kamera zu lassen.« Aus einem Agfa-Panmaterial hat er so einen von der Temperatur unbeeinflußten Film erhalten können.

»Das Treiben in den Küstenstädten, wo Kultur Primitivität durchkreuzt, ist voller Spannung. Das Leben in den anderen Grenzstrichen wird es durch den Kampf mit den Tieren der Wildnis. Das Dasein der Eweleute im Busch aber ist undramatisch, müssen Sie wissen - eine Idylle. Eine schwermütige Idylle in Molltönen durch das Dunkel der Buschlandschaft.

Diese Idylle habe ich zu erfassen gesucht. Ich habe keinen Spielfilm im Kulturfilm forciert. Sondern ich habe mir eine Ewefamilie herausgesucht, Meza und seine Leute. Die habe ich immer wieder aufgenommen zu allen Tageszeiten, bei allen Beschäftigungen. In ihre Hütte bin ich hineingekrochen, um sie beim Schlafen zu bekommen, beim Waschen, beim Klatschen mit den Nachbarn, bei der Hausarbeit. Und dieses Leben in seiner Abgeschlossenheit, Abgerundetheit scheint mir eine innere Spannung zu enthalten.

Dazu kommt noch eins: der Tanz. Diese Menschen tanzen immer, um ihren Gefühlen Ausdruck zu geben. Sie tanzen, wenn einer geboren wird, wenn einer stirbt, sie tanzen zu Vollmond und zu allen anderen Festen. Als ich nach Afrika fuhr, nahm ich mir vor, keine Tänze zu filmen, weil sie ja in allen Afrikafilmen vorkommen. In Afrika selbst begriff ich, daß Tanzen für diese schwarzen Menschen ein Teil aus ihrem Leben bedeutet, der nicht wegzudenken ist.«

Dr. Dalsheim hat zudem interessante noch nicht gefilmte Tänze aufnehmen können auf der Reise nach dem Busch an einer Lagune hinter dem Gebiet von Kita, wo er auf Fetischanhänger stieß und Fetischtänze aufnehmen konnte.

Neben dem Tanzen ist ein zweites Moment charakteristisch für dieses Land: das Transportieren aller Gegenstände auf dem Kopf.

»Das geht soweit, daß ein kleines Kind, dem man ein Streichholz schenkt, es nicht in seinem Fäustchen ballt, sondern auf seinen Kopf legt. Eine Stelle in meinem Film soll das Bedeutsame dieses Tragens zeigen: die Töchter und Frauen Mezas, die mit anderen Mädchen in langer Prozession zum Wasserholen ziehen, die Krüge auf ihren Köpfen. Auch solche Momente scheinen mir für meinen Idyllenfilm Momente zu sein, die ihre Dynamik in sich tragen.«


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