12. Internationaler Filmhistorischer Kongress, Hamburg, 4.-7. November 1999

CinErotikon
Sexualität zwischen Aufklärung und Ausbeutung in der Weimarer Republik

Veranstaltungsprogramm


[Ankündigung] [Materialien] [Bilderbogen]

Veranstaltungsorte:

Büro:
CineGraph, Gänsemarkt 43, 20354 Hamburg.
Filme:
Kino Metropolis, Dammtorstraße 30a, 20354 Hamburg.
Vorträge:
Gästehaus der Universität Hamburg, Rothenbaumchaussee 34, 20148 Hamburg.

Donnerstag, 4. November 1999


ab 17.00 Uhr: Treffen bei CineGraph, Ausgabe der Materialien.

19.30 Uhr Eröffnung:
Dirnentragödie, Bruno Rahn, DE 1927. Mit Asta Nielsen, Hilde Jennings, Oskar Homolka
"Asta Nielsen, die ihre Nähe zu Ibsen und Strindberg nicht verleugnete, stellte die Prostituierte ganz unvergleichlich dar: nicht als realistische, sondern als imaginäre Figur einer Verstoßenen, die gesellschaftliche Konventionen abgeschüttelt hat und jetzt durch ihre bloße Existenz die fragwürdigen Gesetze einer heuchlerischen Gesellschaft herausfordert." (Kracauer)
Im Vorprogramm: Ganz wie bei uns. Unvollkommene Ehen. (1930, Wilhelm Prager) Live-Musik: Marie-Luise Bolte.
ca.22.00
Empfang. Dammtorstr. 30a, III. Stock (über dem Kino Metropolis)

Freitag 5. November 1999

10.00 - 16.30 Uhr: Vorträge im Gästehaus der Universität Hamburg.

10.00
Panel I: Von Wilhelm bis Weimar
Chair: Malte Hagener, Hamburg
Ulf Schmidt, Oxford
Michael Achenbach, Wien
James Steakley, Madison WI
Material: Videoedition Saturn-Film
14.30
Kreuzzug des Weibes, DE 1926, Martin Berger (Videofassung der DIF-Rekonstruktion)

17.00 - ca. 23.00 Uhr: Öffentliche Filmvorführungen im Metropolis.

17.00
Madame Lu, die Frau für diskrete Beratung, DE 1929 stumm, Franz Hofer; Mit Ida Wüst, Hans Mierendorff, Eva Speyer
"Madame Lu ist, bis zur Schlußszene wenigstens, eine jener Frauen, die in allen Fällen diskreten Rat und dito Hilfe erteilen. Im happy end erst lüftet sich ihr Geheimnis." (Hamburger Echo, 28.9.1929)
Einführung: Heide Schlüpmann, Frankfurt
19.00
Eros in Ketten, DE 1928; Konrad Wiene; Mit Maly Delschaft, Walter Slezak, Anita Dorris
Auch wenn der Titel anderes vermuten läßt, bildet der Film den staatstragenden Kontrast zu Cyankali: Polizei, Justiz und Mädchenheim stellen "gefallene Mädchen" wieder auf die Beine. Uraufführung der Restaurierung des Bundesarchivs.
Live-Musik: Marie-Luise Bolte
21.15
Cyankali, DE 1930; Hans Tintner; mit Grete Mosheim, Nico Turoff
Die Filmfassung von Friedrich Wolfs kämpferischen Theaterstück gegen den § 218 - entstanden an der Grenze vom Stummfilm zum Tonfilm mit Begleitmusik und einigen Dialogszenen - war den damaligen Zensoren brisant genug, um den Film zunächst zu verbieten. Erst nach dem Einspruch prominenter Persönlichkeiten wurde er freigegeben und entwickelte sich zu einem der erfolgreichsten "proletarischen" Filme der späten Weimarer Republik.
Einführung: Ursula von Keitz, Frankfurt

Samstag 6. November 1999


10.00-16.30 Uhr: Vorträge im Gästehaus der Universität Hamburg

10.00-13.00
Panel II: Gesellschaftspolitisches Engagement: Kunst, Kolportage und Wissenschaft
Chair: Tim Bergfelder, Southampton
Olaf Dohrmann, Hamburg
Tim Gallwitz, Hamburg
Dietmar Jazbinsek, Berlin
Heide Schlüpmann, Frankfurt

14.30-16.30
Panel III: Zensur und Einmischung
Chair: Dietrich Kuhlbrodt, Hamburg
Ursula von Keitz, Frankfurt: Die Debatte um den § 218 im Film
Eva Sturm, Hamburg: »Eine Zensur findet nicht statt«
Material: Teile aus Keimendes Leben

17.00 - ca. 23.00 Uhr: Öffentliche Filmvorführung im Metropolis

17.00
Frauennot - Frauenglück, CH 1929/30 stumm; Eduard Tissé, unter Mitarbeit von Sergej Eisenstein, Grigorij Alexandrov (Cinémathèque Suisse, Lausanne)
Ein Meilenstein des engagierten Kinos über Not und Glück der Frauen angesichts von Schwangerschaft und Geburt. Die drei russischen Avantgardisten drehten den Film auf ihrer Europareise im Auftrag des in der Schweiz ansässigen Exil-Polen Lazar Wechsler. Geschnitten auf dem Tisch eines Hotelzimmers im Montparnasse und entlohnt mit 500 Franken sowie einem Auto, einer Badewanne, einer Dusche und Badeschwämmen füllte der Film in ganz Europa die Kinos und verursachte erregte Zensurdebatten.
19.00
Feind im Blut, CH/DE 1931; Walther Ruttmann (Cinémathèque Suisse, Lausanne).
Mit Gerhard Bienert, Wolfgang Klein, Margarete Kupfer
Avantgarde und Aufklärung vereinen sich zu einem wissenschaftlichen Horrorfilm, der in einer Mischung aus Dokumentar- und Spielteilen vor den Gefahren der Geschlechtskrankheiten warnt. Nach dem Erfolg von Frauennot - Frauenglück ein weiteres Stück Experimental-Erziehung der schweizer Firma Praesens.

Vorfilm: Lustige Hygiene; DE 1926
21.15
Frauen, die man oft nicht grüßt, DE 1925, Friedrich Zelnik; Mit Lya Mara, Alfons Fryland, Margarete Kupfer
Der Film-Kurier urteilte über dieses Großstadt-Sittendrama: "Unerhört ist das Tempo der Eingangsszenen, das in einigen späteren Szenen mit Glück wieder aufgenommen wird. Der Wirbeltanz, in dem diese Menschen leben, das Hetztempo ihres Lebens wird hier bezwingend in der Bilderführung rhythmisiert." Eine Rarität aus dem moskauer Gosfilmofond.
Vorfilm: Trailer zu Das Spielzeug von Paris, AT 1925, Michael Kertesz, ca. 2 min. Einführung: Malte Hagener, Hamburg. Live-Musik: Marie-Luise Bolte

Sonntag 23. November 1997


10.00-12.30 Uhr: Vorträge im Gästehaus der Universität Hamburg

10.00-12.30
Panel V: Strategien des sozialhygienischen und des aufklärenden Films
Chair: Horst Claus, Bristol
Karl Braun, Berlin
Jan Hans, Hamburg
Evelyn Hampicke, Berlin
14.30
Der Kampf um die Ehe. 1. Wenn in der Ehe die Liebe stirbt, Willy Zeyn, DE 1919 (Video, 60')
15.30-16.30
Panel VI: Abschlußdiskussion
Malte Hagener, Hamburg
Jan Hans, Hamburg

17.00 - ca. 23.00 Uhr: Öffentliche Filmvorführungen im Metropolis.

17.00
Zwischen Nacht und Morgen, DE 1931; Gerhard Lamprecht; mit Aud Egede Nissen, Dorit Ina, Oskar Homolka (BA-FA, Berlin)
Das Tonfilm-Remake der Dirnentragödie "ist ein Atelierfilm mit wenigen Schauplätzen: eine gekrümmte Straße mit Hauseingängen, eine Spelunke im Souterrain, das Zimmer mit Nebengelaß der Emma. Gerhard Lamprecht ließ diese naturalistischen Schauplätze von J. Fenneker entwerfen. Der Film erzählt die Geschichte der Dirne Emma, die nicht mehr jung und leichtsinnig genug für ihr Milieu ist. [...] Heute macht er Eindruck wegen seiner naturalistischen Filmarchitektur, die jedoch deutlich einen retrospektiven Touch in die Straßenfilme der 20er Jahre besitzt." (Claudia Lenssen)
19.00
Geschlecht in Fesseln, DE 1928; Wilhelm Dieterle; 112 min. Mit Wilhelm Dieterle, Mary Johnson, Hans Heinrich von Twardowski
Dieterles Sittendrama setzt sich entschieden für die Reform des Strafrechts ein. Der Film "richtet sich gegen die geschlechtliche Abschnürung der Gefangenen, die zu Demoralisierung, Abnormitäten, Tragödien führen muß." Hamburger Erstaufführung der vom Münchner Filmmuseum restaurierten Fassung.
Einführung: Tim Gallwitz, Hamburg; Live-Musik: Werner Loll
21.30
Anders als die Andern, DE 1918/19; Richard Oswald; 45 min. Mit Conrad Veidt, Reinhold Schünzel, Anita Berber, Magnus Hirschfeld.
Der erste Film, der explizit gegen die Diskriminierung der Homosexuellen Partei ergreift. "Eine Allegorie bildet den Schluß dieses Aufklärungswerkes: Eine Hand erscheint und löscht in dem aufgeschlagenen Strafgesetzbuch der Deutschen Republik den unseligen § 175, an dem so viel Blut und Tränen kleben, für alle Zeiten aus." Hamburger Erstaufführung der vom Münchner Filmmuseum restaurierten Fassung. (Fragment)

Einführung: James Steakley, Madison WI. Live-Musik: Werner Loll

28-Okt-1999