Berliner Film-Ateliers. Ein kleines Lexikon

JOFA-ATELIER

Johannisthal, Am Flughafen 6

Gegründet: 1920
Doppelhalle
Halle A: 3 Ateliers je 945 qm: 21 x 45 m, 11 m Bauhöhe
Kleines Atelier: 540 qm: 15 x 36 m, 8,50 m Bauhöhe
Außen-Freifläche: 20210 qm


Das Jofa-Atelier ist eine Folge des Versailler Friedensvertrages, in dem der Bau von Flugzeugen eingeschränkt wird. Dr. Walther Huth, der Besitzer der Albatros-Flugzeugwerke am Flugplatz Johannisthal gründet daraufhin am 20.1.1920 die Johannisthaler Filmanstalt GmbH und läßt die Werkshallen unter der technischen Leitung vom Ingenieur Hackenberger in das »größte Filmatelier der Welt« umbauen, das am 19.5.1920 in Betrieb genommen werden kann. Unter der Geschäftsführung des Ingenieurs Hanns Otto, der Ende 1921 die Leitung übernimmt, entwickelt sich die Jofa zu einem der erfolgreichsten Ateliers Deutschlands.

»Die Johannisthaler Filmanstalten bestehen eigentlich aus zwei feuerfesten glasverdachten Hallen von 137 x 21 m Nutzfläche, die als Doppelhalle durch große eiserne Schiebetore verbunden sind. Die Halle A dient nur als Aufnahme-Atelier und ist durch verstellbare Sperrholzwände in drei Ateliers von je 45 x 21 m eingeteilt. Eine Arbeitsgalerie in 10 m Höhe führt durch die ganze Halle; sie ist auf einer Treppe von der Nebenhalle aus erreichbar, das Arbeitspersonal, das auf der Galerie zu tun hat, z.B. die Elektriker, braucht also nicht erst die Ateliers zu betreten und stört daher während der Aufnahme nicht.

Durch alle Ateliers führt ein Normal-Spurgeleise, so daß ein Eisenbahnzug bequem in die Halle hineinfahren kann. Ferner kann man einen Plattenwagen zur Aufnahme des Operateurs durch die Ateliers fahren lassen.

Nach der Ostseite, der Flugplatzseite, können die Ateliers durch große Schiebetore vollständig freigelegt werden, dadurch wird jedes Atelier um das Doppelte nach außen hinaus vergrößert. (...) In der unmittelbar neben der eigentlichen Atelierhalle liegenden Halle B sind die Betriebsräume jeder Art untergebracht.«. (J. B. In: Film-Kurier, 11.5.1920).

In den nächsten zehn Jahren entstehen fast 400 Filme in Johannisthal, darunter: DANTON (1921, Regie: Dimitri Buchowetzki, Wörner-Film) mit Emil Jannings und Werner Krauß; FRIDERICUS REX (4 Teile, 1920-23, Arzen von Cserépy, Cserépy-Film) mit Otto Gebühr; ALRAUNE (1927, Henrik Galeen, Ama-Film) mit Brigitte Helm und Paul Wegener; SCHINDERHANNES (1927/28, Kurt Bernhardt, Prometheus-Film) nach dem Drama von Carl Zuckmayer; MUTTER KRAUSENS FAHRT INS GLÜCK (1929, Phil Jutzi, Prometheus-Film).

Arbeiter mit Riesenscheinwerfer auf dem Gelände der Jofa-Ateliers

Das Atelier wird 1929 auf Tonfilm umgestellt und 1931 von der Jofa Tonfilm-Atelier GmbH, an der die Albatros-Werke und die Tobis beteiligt sind, übernommen. Nach einer gründlichen Umgestaltung gliedert sich der Atelier-Komplex nun in drei Gruppen, bei denen jeweils ein kleines Atelier einem großen zugeordnet ist:

Gruppe I: Atelier 1: 840 qm: 21 x 40 m, 10 m Bauhöhe.
Atelier 2: 480 qm: 15 x 32 m, 7 m Bh.
Gruppe 2: Atelier 3: 1155 qm: 21 x 55 m, 12 m Bh.
Atelier 4: 480 qm: 15 x 32 m, 7 m Bh.
Gruppe 3: Atelier 5: 840 qm: 21 x 40 m, 10 m Bh.
Atelier 6: 450 qm: 15 x 30 m, 7 m Bh.
Nachsynchron-Atelier 1: 375 qm: 15 x 25 m.
Nachsynchron-Atelier 2: 84 qm: 7 x 12 m.

»Die kürzlich modern umgebauten Jofa-Tonfilm-Ateliers der Tobis, in denen bisher bereits mit mehreren von der Tobis hergestellten Aufnahmeapparaturen gearbeitet wird, werden nunmehr auch durch neue Großanlagen für Tonfilmaufnahme von der Klangfilm G.m.b.H. erweitert. Durch einen soeben abgeschlossenen Vertrag zwischen Tobis und Klangfilm ist vereinbart, daß Klangfilm drei komplette Aufnahmeapparaturen Type A (Lichttonverfahren) eingebaut, die von einer gemeinsamen Maschinenanlage gespeist werden und auf sämtliche Ateliers wechselweise umzuschalten sind. Jede einzelne der Apparaturen gestattet die gleichzeitige Verwendung von vier synchron laufenden Bildkameras und bis zu 8 Mikrophonen, so daß also Szenen größten Ausmaßes mit allen Mitteln moderner Aufnahmetechnik tonfilmtechnisch herausgearbeitet werden können. (...)

Durch die vorgesehene technische Neueinrichtung ergibt sich eine Tobis-Klangfilm-Kombination, die es den Produzenten ermöglicht, in den Jofa-Tonfilm-Ateliers nach Wunsch Aufnahmeapparaturen des Systems Tobis-Klangfilm, oder solche, die von Tobis gebaut sind, zu verwenden.« (Film-Atelier, Nr. 21, 1. November-Nummer 1931).

1933 übernimmt die Tobis Atelier GmbH, ab 1938 Tobis Filmkunst GmbH, die Ateliers, von denen im Weltkrieg die große Halle mit den Ateliers 1, 3 und 5 zerstört wird.

Der Produktionsleiter Max Koslowski, nach Kriegsende zeitweilig als Kommissarischer Leiter der Johannisthaler Atelier-Anlage eingesetzt, schreibt Anfang 1946 in einem Bericht: »Als nach dem Zusammenbruch im vergangenen Jahr in den ersten Maitagen sich einige Tobis-Gefolgschaftsmitglieder auf dem Johannisthaler Gelände trafen, fanden sie einen Betrieb vor, der nicht nur durch Bombenangriffe stark gelitten hatte, sondern auch während der Kampfhandlungen und der nachfolgenden Tage durch Plünderung stark betroffen und geschädigt worden war. (...) Auf meine Anregung hin setzte sich Herr Martin Müller mit einigen Vorführern, Tonmeistern und Technikern sofort dafür ein, schnellstens die Vorführungen einschließlich der Ateliers 3 und 11 wieder betriebsfähig zu gestalten. Ende Mai war es soweit, daß wir wieder vorführen und aufnehmen konnten. (...) Am 6. Juni 1945 begannen wir mit der praktischen Arbeit.« (zitiert nach: Albert Wilkening: Geschichte der DEFA von 1945-1950. Potsdam-Babelsberg: VEB DEFA Studio für Spielfilme 1981, S. 17-18).

Schon am 10.8.1945 kann als erster in deutscher Sprache synchronisierter sowjetischer Film Eisensteins während des Krieges in Alma Ata gedrehter IWAN DER SCHRECKLICHE aufgeführt werden, die Synchronregie führt der mit solcher Arbeit vertraute Wolfgang Staudte.

Nachdem die Besatzungstruppen der Westmächte Anfang Juli 1945 ihre Sektoren übernommen haben, kommt es zu Schwierigkeiten, über die der Mitbegründer der DEFA Prof. Dr. Albert Wilkening im 1. Band der DEFA-Betriebsgeschichte berichtet:

»Die Hauptarbeit (der Synchronisationen) wurde bei der Tobis-Filmkunst in Berlin-Johannisthal geleistet, zumal hier die einzige voll funktionstüchtige Tonmischanlage zur Verfügung stand und auch die übrigen technischen Einrichtungen wieder in einen einigermaßen betriebsfähigen Zustand versetzt worden waren. Es zeichneten sich aber bereits im Herbst 1945 unter dem Schutz der alliierten Westmächte von den Westsektoren aus Eingriffe in den Betrieb der Tobis-Filmkunst in Berlin-Johannisthal ab. Neben dem in Berlin-Johannisthal wohnenden Tonmeister Martin Müller war der Produktionsleiter Max Koslowski, wohnhaft im benachbarten Ortsteil Berlin-Britz, als Kommissarischer Leiter eingesetzt worden. (...) Zu den von Koslowski getroffenen Maßnahmen gehörte u.a. die ,Verlagerung` von wertvollen technischen Geräten nach Westberlin. (...) Die mir daraufhin als dem neuen Kommissarischen Leiter von der Sowjetischen Militärkommandantur gestellte Aufgabe lautete: Das gesamte Vermögen der Tobis-Filmkunst GmbH im Sinne der Potsdamer Beschlüsse sicherzustellen, verlagerte Vermögenswerte in den Betrieb zurückzuführen und den Betrieb voll funktionsfähig sowohl für die Synchronisation wie für die Produktion vor allem von sowjetischen Filmen zu machen.« (Wilkening, DEFA Betriebsgeschichte 1, 19-21).

Zunächst gilt es, den Betrieb trotz aller Finanz- und Versorgungsschwierigkeiten einigermaßen in Betrieb und zugleich die noch vorhandene Belegschaft von eingearbeiteten Fachleuten zusammen zu halten.

»Um die 40 gekündigten Arbeiter für den Wiederaufbau der Atelieranlagen in Johannisthal behalten zu können und ihre Abwanderung zu verhindern - es waren alles filmerfahrene Arbeiter - mußte bis Jahresende eine Lösung gefunden werden. Sie stellte sich am 29.12.1945 ein, als der sowjetische Regisseur Alexander G. Ussoltzew erschien und sich nach den Möglichkeiten der Durchführung von Dreharbeiten für einen Film mit dem vorläufigen Titel »Brandenburger Tor« erkundigte. A. Ussoltzew war an dem Dokumentarfilm BERLIN im Stab der Frontkameraleute beteiligt gewesen und bereitete einen Spielfilm über die Vorgänge im Mai 1945 am Brandenburger Tor vor. Seine Funktion lautete: »Ministerium für Kinematographie der UdSSR, Hauptverwaltung für die Herstellung von Spielfilmen. Bevollmächtigter für die Herstellung von Spielfilmen in Deutschland«. Wir räumten ihm ein Büro in Johannisthal ein, und ich schloß am 31.12.1945 einen Vertrag ab, aufgrund dessen ein Vorschuß an die Tobis von 50000.- RM von Sojusintorgkino gezahlt wurde.« (Wilkening, DEFA Betriebsgeschichte 1, S. 22).

Bei den Wiederaufbau- bzw. Reparaturarbeiten an den Gebäuden in Johannisthal wird nicht nur versucht, den alten Zustand schnell wiederherzustellen, sondern - bei allen Schwierigkeiten - zugleich Verbesserungen durchzuführen. »So wurde z.B. das von Flaksplittern durchlöcherte Dach der Johannisthaler Ateliers nicht einfach neu eingedeckt, sondern es wurde ein zweites Dach daraufgesetzt und dazwischen eine schalldämmende Schicht angebracht, um ein altes Übel zu beheben. Es war nämlich bis dahin nie möglich gewesen, während des Regens Tonaufnahmen zu machen, da das Aufprasseln der Regentropfen unangenehme Störgeräusche verursachte.« (Albert Wilkening: Übersicht über die technische Entwicklung. In: Auf neuen Wegen. Berlin: Deutscher Filmverlag 1951, S. 43).

Nachdem sich am 22.11.1945 ein »Filmaktiv« konstituiert hat, aus dem dann am 17.5.1946 durch Überreichung einer Lizenz die DEFA GmbH geworden ist, kann auch an die Wiederaufnahme einer Filmproduktion gedacht werden. Da das alte Ufa-Gelände in Babelsberg von den Sowjets noch nicht freigegeben ist, stehen als Ateliers im sowjetisch besetzten Teil der Stadt nur das Althoff-Atelier in Potsdam-Babelsberg (wie der Stadtteil nun heißt) und das johannisthaler Atelier zur Verfügung.

Doch vor der Aufnahme eines geregelten Produktionsbetriebs gibt es noch aus der besatzungsrechtlichen Lage entstehende Schwierigkeiten.

»Eine Wende in der Entwicklung der DEFA begann, als die Sowjetunion auf Grund des Potsdamer Abkommens die zum Besitz des ehemaligen Deutschen Reiches gehörenden Unternehmungen, darunter auch die Ufa und die Tobis-Filmkunst als Reparationsleistungen in Anspruch nahm. Um dieses Vermögen nicht zu demontieren, sondern in Deutschland zu nutzen und zu verwalten, war im Juli 1947 in Moskau die Sowjetische Staatliche A.G. »Linsa« gegründet worden. Vorsitzender des Vorstandes war S. P. Apakidse und sein Stellvertreter Alexander Sergejewitsch Wolkenstein. Genosse Wolkenstein war zugleich Generaldirektor der Zweigniederlassung in Potsdam.

Da die Anlagen und Einrichtungen der Tobis-Filmkunst zu jener Zeit dringend für die Produktionstätigkeit der DEFA benötigt wurden, war im August 1946 zwischen dem Bürgermeister des Bezirkes Berlin-Treptow und den Geschäftsführern der DEFA ein Pachtvertrag über des Vermögen abgeschlossen worden. Durch die Sequestrierung verlor diese Vereinbarung ihre Gültigkeit, und es mußte ein Weg gefunden werden, damit die DEFA diese Anlagen und Einrichtungen weiterhin nutzen konnte. Das war am einfachsten dadurch zu bewerkstelligen, daß sich die »Linsa« an der DEFA beteiligte. Sie benannte zwei Geschäftsführer. Außer dem bereits erwähnten A. S. Wolkenstein war es der Filmregisseur Ilja Fradkin.

Auf diese Weise war die DEFA zu einem respektablen Unternehmen mit einem Stammkapital von zehn Millionen Reichsmark geworden. Sie war aber immer noch eine GmbH, das heißt eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Erst am 6. Oktober 1948 wurde die von Anfang an vorgesehene Errichtung einer Aktiengesellschaft realisiert. Und am 1. Januar 1950 wurde der als Nachfolger für den früh verstorbenen Ilja Trauberg eingesetzte Filmregisseur Alexander Nikolajewitsch Andrijewski, entsprechend der Aktienmajorität der »Linsa« von 55 Prozent, zum Vorsitzenden des Vorstandes der DEFA ernannt. Dieses Amt übte er ein Jahr lang aus. Denn am 1. Januar 1951 wurden im Rahmen eines Komplexprogramms alle sequestrierten Filmbetriebe und damit auch das gesamte in der Deutschen Demokratischen Republik befindliche Vermögen der »Linsa« an die Regierung der DDR übergeben, die es ihrerseits der DEFA zur allseitigen Nutzung zur Verfügung stellte.« (Albert Wilkening: Begegnung mit Freunden. In: Filmwissenschaftliche Beiträge, Nr. 2, 1977, S. 9-10).

Neben dem Althoff-Atelier in Babelsberg bildet das Atelier Johannisthal die technische Grundlage für die nun anlaufende regelmäßige Produktion der DEFA. In den Jahren 1946-1950 entstehen 38 Filme.

Dabei zwingt die technische Mangellage, z.B. von speziellen Glühbirnen für die Lichttongeräte zu technischen Neuentwicklungen. Das Atelier Johannisthal wird so möglicherweise das erste Film-Atelier der Welt, in dem ein ganzer Film mit Magnetton-Geräten hergestellt wird.

»Ich war von der Richtigkeit der Einführung des nach meiner Meinung stabilen Magnettons überzeugt und versuchte daher alles, seine Einführung in der Produktion durchzusetzen. Erst als durch die Vergrößerung unserer Produktion im Jahre 1947 die Lichttonkameras nicht mehr ausreichten, kam ich ans Ziel. Nachdem ich verbindlich in einer Vorstandssitzung erklärt hatte, daß keine Verluste eintreten, und damit die Produktion des Filmes WOZZEK zum vorgesehenen Termin möglich werde, kam die Zustimmung zu den Dreharbeiten. Tonmeister des Filmes war Dr. Klaus Jungk.« (Wilkening, DEFA Betriebsgeschichte 1, S. 89).

Nach Verlegung der zentralen Produktionsgruppen der DEFA verbleiben in Johannisthal neben einer, meist auf Komödien spezialisierte »Gruppe Johannisthal« die Anlagen des DEFA-Studios für Synchronisation, und seit den 60er Jahren benutzt das DDR-Fernsehen Ateliers in Johannisthal.

[WIRD DEMNÄCHST AKTUALISERT]


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