Transatlantische Verleih- und Produktionsstrategien eines Hollywood-Studios in den 20er und 30er Jahren
Materialien zum 13. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 
16. - 18. November 2000.

Zeitgenössische Pressestimmen


Carl Laemmle an die deutschen Theaterbesitzer.

Meine Herren!
Die deutsche Vertretung meiner Organisation, die vor einigen Tagen den Firmennamen
Deutsche Universal-Film-Verleih G.m.b.H.
angenommen hat, blickt auf ein Jahr ihres Bestehens zurück. Ein Jahr harter und mühsamer Arbeit, unermüdlicher Anstrengungen und sorgfältigster Sondierungen. Wir haben das deutsche Territorium genauest kennengelernt, wir sind mit Ihnen, den Theaterbesitzern, in engste Fühlung getreten und haben uns in zielbewußtem Streben einen großen Kreis von Kunden und Freunden erworben. Heute sind wir so weit, daß wir in vollstem Bewußtsein unserer Kraft und unserer ausgezeichneten Produktion das Vertrauen lohnen können, mit dem Sie uns entgegenkamen.
Ich habe keine Kosten und keine Mühe gescheut, Europa, und darunter ganz besonders Deutschland, mit jenem Material zu versorgen, das Sie gern sehen wollen. Ich stehe auf dem Standpunkt der absoluten Völkergemeinschaft in bezug auf die Filmproduktion und ich brauche Ihnen nicht erst zu erzählen, daß bei der Universal fast ebensoviel Deutsche beschäftigt sind wie Amerikaner. Wenn ich Ihnen einen amerikanischen Film bringe, dessen Regisseur Paul Leni und dessen Hauptdarsteller Conrad Veidt ist, so bringe ich Ihnen in Wirklichkeit einen deutschen Film. Nur gesellt sich in diesem Falle zur deutschen Kunst amerikanische Technik - es ergeben sich also nur Vorteile.
Ich stehe ferner auf dem Standpunkt, daß eine amerikanische Firma sich nicht auf den Alleinvertrieb amerikanischer Filme beschränken muß, sondern vielmehr ihr Material ausgiebig mit europäischen Erzeugnissen mischen soll. Daß diese meine Politik eine richtige ist, beweisen die bisherigen Erfolge meiner Organisation in sämtlichen Ländern der Erde. Und ich bin überzeugt, daß sich das enge und freundschaftliche Verhältnis meiner Firma zu den deutschen Theaterbesitzern nur noch mehr festigen wird. Ich biete Ihnen im kommenden Jahre eine Produktion an, die Sie restlos befriedigen wird. Ich pflege nicht viel zu versprechen, sondern zu handeln.
Meine bewährten Mitarbeiter in der deutschen Organisation meines Hauses, die Herren Joe Friedman, General-Manager für Continental-Europa; und Heinrich Graf, Direktor des deutschen Geschäftes, sind Ihre Freunde und werden es bleiben. Sie kennen jeden einzelnen Ihrer Wünsche und werden dieselben erfüllen. Von der Erwägung ausgehend, daß die deutsche Universal ein integrierender Bestandteil meiner Weltorganisation ist und daß sie dennoch auf rein deutscher Basis aufgebaut und tätig sein wird, habe ich mich entschlossen, meinen deutschen Verleih auf den Firmennamen:
Deutsche Universal-Film-Verleih G.m.b.H.
umzutaufen. Betrachten Sie diese Firma als einen zuverlässigen Mitarbeiter und nicht als Geschäftspartner. Haben Sie Erfolg - dann habe auch ich ihn. Dies war meine Devise und wird es auch bleiben, wobei ich wiederhole: das Vertrauen, mit dem Sie der deutschen Universal entgegenkommen, wird belohnt werden. Ich begrüße Sie herzlichst in alter Freundschaft und Hochachtung
 

Carl Laemmle, Präsident
Film-Kurier Nr. 107/108, 5.5.1928


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