Transatlantische Verleih- und Produktionsstrategien eines Hollywood-Studios in den 20er und 30er Jahren.
Materialien zum 13. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg,
16. - 18. November 2000.
Im Westen nichts Neues
Der Kampf um den Remarque-Film.
Vorführung gewaltsam verhindert!
Berlin 6. Dezember. Während am Donnerstag, wie der "Film-Kurier" berichtete, der Remarque-Film IM WESTEN NICHTS NEUES ohne Störung und ohne jede Opposition mit stärksten Eindrücken abrollte, kam es gestern zu heute in der gesamten Morgenpresse wiedergegebenen Protesten und Skandalen - eine Art praktischer Demonstrierung zu der Kritik am Remarque-Film, die sich vor diesem Werk in zwei Fronten geteilt hat.
Wir nennen die "Germania", die "Deutsche Allgemeine Zeitung", "Berliner Börsen-Zeitung", die neben den Scherl-Blättern - von der nationalsozialistischen Presse ganz abgesehen - in schärfster Form gegen den Film protestieren, mit den gleichen Argumenten, die die Kleine Anfrage der Deutschnationalen Volkspartei charakterisieren.
Zu der Darstellung der Vorgänge wird nach den polizeilichen Ermittlungen mitgeteilt, daß die Anzahl der Demonstranten in Wirklichkeit nur 40 bis 60 betragen habe.
Nun, das mögen Nuancen der Kriegsberichterstattung sein - der ungeheure Protest und die Störung der Vorführungen mit riesigem Polizeiaufgebot bleiben ebenso bestehen wie die außerordentlich heftigen Proteste der genannten Presse.
Die gestrigen Zwischenfälle haben begreiflicherweise nicht nur die Deutsche Universal und den Mozartsaal, sondern darüber hinaus Polizeipräsidium, Preußisches Ministerium und Reichsinnenministerium beschäftigt. Der Polizeipräsident hat in den Vorgängen keinerlei Anlaß gefunden, die Vorführung zu verhindern. Im Gegenteil.
Am heutigen Sonnabend nehmen die Vorführungen im Mozartsaal unter stärkstem Polizeischutz ihren Fortgang.
Wir erfahren noch, daß beabsichtigt ist, am Dienstag in Berlin sowohl die englische wie die französische Fassung des Films der Presse vorzuführen. Dieser Beschluß ist begrüßenswert.
Die Auswirkung der planmäßigen, mit langer Hand vorbereiteten politischen Aktion gegen den Remarque-Film ist naturgemäß nicht abzusehen, da nicht feststeht, ob und in welchem Umfange sich Demonstrationen im Kino wiederholen.
Die gestrige Nachmittagsvorführung vor den Theaterbesitzern hinterließ, wie uns berichtet, wieder starke Eindrücke.
Der Verlauf der Zwischenfälle.
Der Film IM WESTEN NICHTS NEUES, gegen den schon vor der Premiere in einem großen Teil der Rechtspresse protestiert worden ist, gab am Freitag Anlaß zu wüsten Tumulten im Berliner Mozartsaal.
Von nationalsozialistischer Seite waren im Vorverkauf einige hundert Eintrittskarten erworben worden. Bald nach Beginn der Vorführung begann dann die gut vorbereitete Aktion gegen den Film.
Es begann mit nationalistischen und antisemitischen Zwischenrufen, es wurden Stinkbomben geworfen und weiße Mäuse ausgesetzt.
Es waren mehrere nationalsozialistische Reichstagsabgeordnete anwesend, so Dr. Goebbels und Pfarrer Münchmeyer, die ihre Anhänger durch Zurufe aufmunterten und den Skandal dirigierten.
Die Vorführung mußte schließlich unterbrochen werden.
Es kam zu Schlägereien mit Besuchern, die sich gegen den Terror wandten. Die inzwischen herbeigerufene Polizei mußte den Saal gewaltsam räumen.Film-Kurier, Nr. 288, 6.12.1930
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