Transatlantische Verleih- und Produktionsstrategien eines Hollywood-Studios in den 20er und 30er Jahren
Materialien zum 13. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 
16. - 18. November 2000.

Geschäftliches 


Neue Namen - Neuer Kurs 
bei der Universal.


Morgen gehen die Herren Vertreter der Universal ins Land, Wochen gewaltiger Vorbereitungen sind vorüber, nun muß es sich erweisen, wie die von der Universal und ihrem Mitarbeiterstab geleistete Vorarbeit ihre Früchte tragen wird. Allen Anzeichen nach kann man bei Universal mit hundertprozentigem Sieg rechnen.

Die neuen Männer.
Die Firma hat ihren Namen geändert und neue Männer bestimmen den Kurs im Interesse ihres Präsidenten Carl Laemmle.
Herr Friedman, Laemmles Generalmanager für Europa, hat lange Zeit die Verhältnisse in Deutschland aufs genaueste studiert, bis er zu seinem heutigen Standpunkt gelangt ist, der ihn als einen ausgezeichneten Kenner der deutschen Verhältnisse zeigt.
Friedman erklärte einem unserer Mitarbeiter gegenüber immer und immer wieder, daß Amerika und Deutschland zusammengehen müßten, nicht zuletzt im Interesse der deutschen Theaterbesitzer, für die und mit denen ja schließlich in Deutschland alle Filmfirmen ihre Geschäfte machen wollten.
Solche vernünftigen, einsichtigen Worte werden die deutschen Theaterbesitzer aufhorchen machen: in Friedman spricht ein Freund des Kinogeschäfts, "leben und leben lassen" ist das Leitwort dieses Filmgeschäftsmannes, der übrigens auch über Mißerfolge mit erstaunenswerter Ehrlichkeit spricht.
Jetzt ist er aber felsenfest vom Erfolg überzeugt.
"Es wird und muß für die Theaterbesitzer und die Universal ein gutes Jahr kommen. Wir haben uns die größte Mühe gegeben, wir machen die größten Anstrengungen. Wochenlang haben wir alle Fragen der Filmauswahl, der Bearbeitung, des Schnittes, der Titel, der Titelung, sorgfältig studiert."
Dabei kann die Universal auf drei gewaltige Vorteile hinweisen:
Von 28 angekündigten Filmen sind 21 Filme bereits fix und fertig. Wer kann bis zur Stunde in Deutschland gleiches von sich sagen?
Wir bieten dem Theaterbesitzer keine Titelliste an, sondern fertige Filme.
Ferner haben wir die Möglichkeit, 14 amerikanische Spitzenfilme aus 80 Filmen auszuwählen. Auch ein Vorteil, den so leicht keine zweite Firma ausweisen kann."
Neben Joseph Friedman steht Heinrich Graf, der deutsche Verleihfachmann, der von der Pieke auf die Branche kennenlernte. Mit Energien geladen, mit dem eisernen Willen, für den Theaterbesitzer und zugleich für seinen Verleih seine ganze Arbeitskraft einzusetzen.
Diesen von seiner Arbeit begeisterten Filmmann charakterisiert es, in wie herzlicher Weise er von seiner Mitarbeiterschaft spricht.
Er kennt den Vertreterstand und weiß. daß es die Vertreter sind, die den engsten Kontakt mit der Kundschaft haben.
Darum wird das Wort "Filmvertreter" bei der Universal ganz groß geschrieben. Jede Firma kann die Universal um den guten Geist beneiden, der alle diese fleißigen Mitarbeiter der Firma beseelt.

Die neuen Methoden.
Universal hatte in dieser Woche Vertreter-Meeting. 
Aus dem ganzen Reiche waren die Mitarbeiter herbeigereist, um in Tag- und Nacht-Dauer-Sitzungen die Filme des neuen Programms kennenzulernen, zu diskutieren und dort, wo es nötig war, in Titeln und Schnitt zu korrigieren.
Eine große Arbeit wurde da geleistet, eine vorbildliche Arbeit, denn die Kritik an der eigenen Arbeit kann nur dazu führen, die wahren Werte des Films ins Licht zu stellen und die Ausfälle nach besten Kräften zu vermeiden.
Solche Methoden bieten denn auch dem Theaterbesitzer eine Garantie, daß der Vertreter, der ihn besucht, über die Filme, die er ihm anbietet, selbst vollkommen orientiert ist. Der Vertreter kennt ja die Filme genau, er kann sie deshalb mit gutem Wissen und ausgezeichneten Gründen empfehlen.
Die Universal hat es als eine der ersten Firmen erkannt: Die Zeiten sind vorbei, in denen man sich in beiden Lagern der Industrie etwas vormachen zu können glaubte. Man weiß heute, daß das Geschäft nur mit der Wahrheit und der kaufmännischen Disziplin der wirklichen Sachkenntnis und Fachkenntnis gemacht werden kann. Heinrich Graf bestätigt es: "Schulung der Fachleute, darauf kommt es an, denn aus der Schulung der eigenen Mitarbeiter wird die Begeisterung der Arbeit entspringen. Diese Arbeit ist denn auch ihres guten Lohnes wert."

Die neuen Filme.
Über jeden der 28 angekündigten Filme könnte man eine besondere Abhandlung schreiben. Darum für heute nur diese Andeutungen.
An der Spitze stehen drei ganz ungewöhnliche Filme. DER MANN, DER LACHT, DER EINSAME ADLER, DIE HÖLLE DER HEIMATLOSEN. Ohne Frage, drei interessante Großfilme, bestimmt keine "typischen Amerikaner", da in dem ersten Film der Deutsche Conrad Veidt die Hauptrolle spielt, der Flieger-Großfilm aber gerade den deutschen Heldenfliegern alle Ehren zukommen läßt. Im dritten Film spielt die in Deutschland bekannte Imogene Robertson ihre erste große amerikanische Rolle. Drei Weltfilme mit deutschen Elementen.
Die weiteren Starfilme bringen nur erste Namen: Brigitte Helm, Olga Tschechowa, Grete Mosheim, Maria Paudler, Liane Haid, Käthe von Nagy, Marcella Albani, Lya de Putti. Dazu die Sonderklasse drei Henny-Porten-Lustspiele.
Die großen Lieblinge des deutschen Publikums erscheinen wieder bei Universal: Laura la Plante und Reginald Denny. Iwan Mosjoukin, der siegreiche Casanova, ist gleichfalls vertreten.
Eine besondere Abwechslung werden die Eddie-Polo-Filme ins Programm bringen.
Ganz Besonderes erwartet man von einem neuen Komiker, der drüben schnell zu Ruhm gelangt ist: Glenn Tryon. Schon diese wenigen Andeutungen beweisen, daß die deutsche Universal für 1928/29 unter einem besonders günstigen Stern zu arbeiten beginnt.

Film-Kurier Nr. 107/108, 5.5.1928


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