Deutsche Universal. Materialien zum 13. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 16.-19. November 2000
Zusammenfassungen der Vorträge
[Ankündigung] [Materialien] [Gesamtprogramm] [Bilderbogen]
Jeanpaul Goergen, Berlin:
Weniger Steuern und größerer Erfolg -
Das Beiprogramm der Deutschen Universal
Nach Aufhebung des Importverbots für ausländische Filme am 1.1.1921 führte Universal Pictures neben Spielfilmen zahlreiche zweiaktige Kurzspielfilme für das Beiprogramm ein: Wildwest-Filme, Grotesken, Lustspiele sowie, ab Sommer 1927, die Trickfilmserie OSWALD THE LUCKY RABBIT.
Im Januar 1927 errichtete die Universal mit der Matador Film Verleih GmbH eine eigene Filiale in Deutschland. Aber erst mit deren Umwandlung 1928 in die Deutsche Universal-Filmverleih GmbH sowie 1929 in die Deutsche Universal-Film AG wurden außer Spielfilmen auch einige wenige Kurzspielfilme und Kulturfilme fürs Beiprogramm hergestellt - Filme, die heute offenbar alle verschollen sind.
Neben diesen Eigenproduktionen wurden verstärkt Kurzfilme kleiner Produzenten in den Verleih übernommen. Am bemerkenswertesten sind dabei die Filme von Curt Oertel und Rudolf Bamberger (DIE STEINERNEN WUNDER VON NAUMBURG, 1932) sowie die Musikfilme der Comedia-Tonfilm GmbH aus der von Eberhard Frowein und Franz Schreker realisierten Serie DAS WELTKONZERT. Im Sommer 1934 schloß die Universal ihre deutsche Filiale; die Liquidation zog sich noch bis 1939 hin.
In einem Exkurs wird auf die langen Dokumentarfilme hingewiesen, die in den 20er Jahren von der Universal bzw. der Deutschen Universal eingeführt wurden.
Evelyn Hampicke, Berlin:
Greenbaum trifft Laemmle - Eine transatlantische Film- und Familiengeschichte
Eine unbekannte Episode der Filmcooperation: Am 21.5.1908 wird auf der Beiratssitzung der Deutschen Bioskop GmbH in Frankfurt/Main. ein Ausbau der Auslandsgeschäfte geplant und beschlossen. Der Geschäftsführer Jules Greenbaum »wird ermächtigt, in Amerika eine Tochtergesellschaft zu gründen, derart, daß ein kapitalkräftiger Geschäftsleiter gesucht werden soll, der die erforderlichen Barmittel zur Aufnahme und Durchführung des Geschäftsbetriebes hergibt und dafür 2/5 der Anteile der neuen Gesellschaft erhält«.
Noch im Mai fährt der deutsche Filmpionier und Remigrant Jules Greenbaum im Auftrag der Firma in die USA und schließt einen Vertrag mit der Laemmle Film Service Company in Chicago, wo er bereits zwischen 1889-1895 lebte und arbeitete.
Jürgen Kasten, Berlin:
Universelle Produktvariante: Tear Jerker - Über John M. Stahls Melodramen
am Beispiel von BACK STREET (1932)
Die Melodramen, die der Regisseur John M. Stahl seit 1930 für Universal Pictures gedreht hat, werden zwar in der Geschichte des Genres gern zitiert. Sie sind trotzdem - und vor allem in Deutschland - weitgehend unbekannt. BACK STREET (1932; SEITENWEGE DES LEBENS) gilt als ein Musterbeispiel für Stahls einfache, direkte, handwerklich gediegene, abgezirkelte, doch unspektakuläre Ästhetik. Das scheint nicht allein an der sentimentalen, für den dramatischen Überschuß jedoch ganz wichtigen Geschichtenkonstruktion (hier besonders der weiblichen Hauptfigur) zu liegen.
Stahl arbeitet mit filmischen Mitteln, die wesentlich auch den deutschen Stummfilm geprägt haben. In der deutschen Rezeption 1933 werden sie jedoch erstaunlicherweise als »altmodisch« abgetan. So scheint es, daß der Film, dessen konsequente Dramatik und Bildästhetik heute als Beispiel für das klassische melodramatische Erzählen in Bildern wiederentdeckt wird, in Deutschland trotz beträchtlicher Werbung und hohem Kopieneinsatz nicht so erfolgreich lief, wie in den USA und wohl auch in Frankreich.
Heike Klapdor, Berlin:
DER AGENT VOM SUNSET BOULEVARD. PAUL KOHNER UND DAS AMERIKANISCHE FILMEXIL
Im Anschluß an die Präsentation der TV-Dokumentation über Paul Kohner (arte 1996) werden neben der Bedeutung Kohners für die Universal auch die Schwierigkeiten der Recherche und die Besonderheiten der Darstellung (Verwendung von Original-Zitaten) erörtert.
Brigitte Mayr, Wien:
Franziska Gaal - »Universal's European Moneymaker«: Rekonstruktion einer Karriere von Budapest nach Hollywood
»Phantom Lady« Franziska Gaal. Nur mühsam lichtet sich der Blick auf ein Leben. Für nur knapp fünf Jahre läßt sich eine Karriere in Deutschland, Österreich und Ungarn rekonstruieren, die vom kometenhaften Aufstieg einer rasch Gefeierten (PAPRIKA) bis zu Diffamierungskampagnen und Boykott der Unliebsamgewordenen (FRÄULEIN LILLI) alle Varianten eines Starlebens in sich birgt.
Nach einem Achtungserfolg in ihrem ersten Hollywoodfilm (THE BUCCANEER) wird ihr Talent in B-Movies verschlissen, wie etwa THE GIRL DOWNSTAIRS, dem müden Abklatsch jener europäischen Universal-Produktionen (KATHARINA - DIE LETZTE; PETER; KLEINE MUTTI), durch die sie, gemeinsam mit dem versierten Team Kosterlitz (Regie) / Joachimson (Buch) / Pasternak (Produktion), maßgeblich zur Etablierung eines vom deutschen Markt unabhängigen Films beigetragen hatte. Der einstige Star scheitert im Land der unbegrenzten Möglichkeiten und zieht sich 1940 desillusioniert in seine ehemalige Heimat Ungarn zurück, wo aber mittlerweile der politische Umbruch soweit fortgeschritten ist, daß sie auch dort nicht mehr Fuß fassen kann.
Rainer Rother, Berlin:
Wilde Landschaft und heroischer Film - S.O.S. EISBERG
Wie viele andere Filme Arnold Fancks ist auch S.O.S. EISBERG ein Projekt mit komplizierter Produktionsgeschichte, nicht zuletzt, weil er ein »Expeditionsfilm« in eine »wilde Landschaft« war. Nicht nur die einzigartigen Aufnahmen, auch die Art ihrer Entstehung begründeten den Ruf des Films. Die Überwindung von Hindernissen, die körperlichen Strapazen, die Lebensgefahr, von der die Handlung erzählt, gehören ebenso zu den Beschreibungsmustern der Dreharbeiten. S.O.S. EISBERG ist insofern ein typischer Fanck-Film, als er den Gestus der Authentizität nutzt, um seine Story von der »bloßen Fiktion« zu unterscheiden und neben der Spielhandlung den dokumentarischen Wert der Aufnahmen betont.
In gewisser Hinsicht ist S.O.S. EISBERG jedoch auch der Film, in dem Fanck seine bis dahin konsequenteste Variation erzählerischer Muster demonstrierte, ohne die gewohnten Qualitäten der Fotografie und der tatsächlich physisch erbrachten Leistungen der Schauspieler zu vernachlässigen. Die »heroische Lebensauffassung«, zu der Fanck sich bekannte, fand in S.O.S. EISBERG einen besonders reinen Ausdruck und zugleich eine filmisch sehr bemerkenswerte Form.
Zur Besonderheit des Films gehört auch, dass er zum letzten Mal Leni Riefenstahl in einem nicht von ihr selbst inszenierten Film zeigt. Anders als in vorherigen Filmen ist dabei die von ihr verkörperte Figur für die Handlung nicht von entscheidender Bedeutung. Die Karrieren Fancks und Riefenstahls, die über sieben Jahre fest verbunden waren, trennten sich hier - S.O.S. EISBERG ist unter diesem Gesichtspunkt auch ein Film, der eine Trendwende im »heroischen Film« andeutet.
Tibor Sándor, Budapest:
Zur Produktionsgeschichte von FRÜHJAHRSPARADE (1934)
Anhand zeitgenössischer Dokumente wie dem Briefwechsel zwischen dem ungarischen Parlament und der nationalsozialistischen Reichs-Regierung werden die politischen und wirtschaftlichen Komplikationen bei den Dreharbeiten und der Aufführung des Bolvary-Films dargestellt.
Tom Saunders, Victoria:
Deutsche Universal - Firmenpolitik und Image building
Thema des Vortrags ist der Versuch der Deutschen Universal, sich als relativ spät gebildete deutsch-amerikanische Firma im Dickicht der deutschen Filmwelt besonders zu profilieren. Ausgehend von dem schon 1925 vereitelten Plan, in Verbindung mit der Ufa eine führende Rolle in Deutschland zu spielen, handelt es sich um Bemühungen, durch »image building« die Firma und ihre Filme als neuartig oder einmalig darzustellen. Dass dieses »image building« nicht ganz glücklich ausfiel und in einem Fall (FRANKENSTEIN) zur Blamage führte ist ein Schwerpunkt von meinem Vortrag.
Werner Skrentny, Hamburg:
Erinnerungen im Stuyvesant Village, Manhattan, New York
Ende der 70er Jahre habe ich in den USA u.a. für einen ARD-Zweiteiler die Biografie von Carl Laemmle recherchiert. Die Beziehungen des als Karl Lämmle im oberschwäbischen Laupheim geborenen Universal-Chefs nach Deutschland und Europa waren bis zur Machtübernahme der Nazis äußerst intensiv; danach war es dem Juden nicht mehr möglich, sein Heimatland zu besuchen.
Berichtet wird über Laemmles vielfältige Beziehungen zu deutschen Regisseuren und Schauspielern, von der Begegnung mit dem früheren Generaldirektor der Deutschen Universal, Max Friedland, damals 87 Jahre alt, und von William Wyler, der als Mitglied der »Laemmle-faemmle« (= family) durch Carl Laemmle ebenfalls eine Chance in Hollywood bekam.
Catherine Surowiec, London:
Paul Leni's THE CAT AND THE CANARY - The European foundations of the Universal horror film
The presentation will be a brief overview of Paul Leni's American work for Universal Pictures, with particular emphasis on THE CAT AND THE CANARY. I will discus the look of the film, and examine European, and especially German, influences upon Universal's future horror canon. Contemporary sources used will include studio releases from the house journal Universal Weekly, interviews with Leni, and contemporary reviews demonstrating how the films were perceived at the time.
Michael Wedel, Berlin / Amsterdam:
A Universal Language? oder: Die unsichtbare Front - Die Tonfilm-Umstellung und die Marktstrategien der Universal in Deutschland
Die Gründung der Deutschen Universal stand im Zeichen der internationalen Tonfilm-Umstellung, ihrer technisch-ökonomischen und sprachlich-kulturellen Auswirkungen.
Mein Referat will zunächst die technischen Bedingungen des Imports amerikanischer Universal-Produktionen verfolgen, die sich zwischen 1928 und 1934 im deutschen Verleih befanden. Nachgezeichnet werden Entwicklungs- und Entscheidungsmuster in der Wahl zwischen den zur Verfügung stehenden Optionen Begleitton, Exporttitelung, Mehrsprachenversion oder Synchronisation.
Die weitreichenden Konsequenzen der Sprachadaptions-Problematik für Fragen der kulturellen (nationalen) Identität sollen am Beispiel der Rezeption der deutschen Importversion von ALL QUIET ON THE WESTERN FRONT (1930) exemplarisch aufgezeigt werden, um in diesem Zusammenhang zu einer Bewertung der Eigen-Produktionen der Deutschen Universal (z.B. DIE GROSSE SEHNSUCHT, 1930) sowie der von ihr verliehenen deutschen Fremdproduktionen (z.B. DIE UNSICHTBARE FRONT, 1932) zu gelangen.
Zurück zur Übersicht