3 x Nebenzahl. Materialien zum 14. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 15. - 18. November 2001.

Deutsche Filmpolitik nach deutschen Filminteressen!


Nach einer Unterredung mit 
S. Nebenzahl (Nero-Film AG), Berlin

Die Frage der Kontingent-Gestaltung ist in den Brennpunkt der filmwirtschaftlichen Debatten gerückt. Sonnabend gaben wir an dieser Stelle die amerikanischen Auffassungen wieder. Heute soll der Standpunkt des deutschen Filmfabrikanten, auf den es in dieser Frage letzten Endes ankommt, hier zur Geltung gelangen. Wir hatten eine eingehende Unterredung mit S. Nebenzahl, dessen Nero-Marke Weltruf genießt. Seine Firma ist dem Filmindustriellen-Verband angeschlossen, im übrigen ein völlig unabhängiges Unternehmen. Die Forderungen, die er vertritt und wie er sie begründet, dürfen auf internationale Beachtung rechnen.

 

 

Die Schicksalsfrage 

Die Fragen des deutschen Films sind nur aus der Gesamtsituation zu betrachten. Dabei schält sich als Kernfrage die Existenzfrage der deutschen Filmindustrie schlechthin heraus. Es sieht bedrohlich aus um unsere Industrie. Die nächsten Monate der durch den Sommer verschärften Krise dürften erst die ganze innere Schwäche in vielen Positionen der deutschen Filmwirtschaft aufdecken. Die Produktionsmittel und die Fabrikations-Bedingungen, von denen die Fortarbeit abhängt, sind heute noch nicht erkennbar. Erkennbar ist nur die immer weitergehende Erschütterung der Geschäftsbasis, auf der sich unsere Produktion aufbaut: der deutsche Kinopark. Wie also soll der Bestand eines produktiven Wirtschaftskörpers, der noch den Namen einer "Industrie" verdient, gesichert werden...?

 

 

Weiß Deutschland, was sein Film ihm leistet?

Mit Recht, so betont S. Nebenzahl, hat die Lichtbild-Bühne dieser Tage unterstrichen, daß für alle möglichen Sparten deutscher Wirtschaft Reichshilfe in ausgedehntestem Umfange vorhanden ist, nur nicht für den Film. Die verantwortlichen Stellen sind weit davon entfernt zu begreifen, was der deutsche Film in der Welt leistet. Nebenzahl legt Artikel und Kritiken aus allen Ländern vor, in den verschiedensten Sprachen zu den Großfilmen seiner Produktion wie ARIANE, KAMERADSCHAFT, M: immer wieder wird mit anderen Wendungen die überragende Leistung Deutschlands in der Filmproduktion festgestellt. Die Spitzenerfolge der Nero - natürlich auch der Ufa und anderer Großproduktionen - kommen nicht allein der einzelnen Firma, sondern, wie wir uns eindeutig überzeugten, dem Ansehen Deutschlands als solchem zugute. Was neben diesem moralischen Wert der Film als Hereinbringer von Devisen bedeutet, ohne daß für Rohstoffe oder sonstige Herstellungs-Faktoren deutsches Geld ins Ausland zu fließen braucht, zeigt nichts besser als die Export-Einnahmen der Nero. Die oben angeschnittene Schicksalsfrage nach dem Bestand der deutschen Filmindustrie, die staatswirtschaftlich bisher nur als Steuer-Objekt behandelt wird, richtet sich also mit größtem Ernst an die verantwortlichen Stellen des Reichs und der Öffentlichkeit.

 

 

Kontingentierung der Dublierungen notwendig

Im Rahmen der Gesamtsituation ist das Kontingent nur ein Einzelmoment, allerdings ein wichtiges. Es kann nicht anders beurteilt werden denn vom Standpunkt des Schutzes und der Hilfe für den deutschen Film als eines hohen, aber gefährdeten deutschen Wertbesitzes in der Welt! Je besorgniserregender es um den deutschen Kinopark, das natürliche Fundament der deutschen Produktion, aussieht, desto notwendiger ist eine Kontingentierung, die das deutsche Produkt im Inland schützt. Dies ist wohl das mindeste, was man von einer deutschen Regierung erwarten kann. Wenn die Begrenzung von deutschen Sprachdublierungen [= Synchronisierung] auf ein Fünftel der Gesamteinfuhr gefordert wird, so hat auch dies seine wirtschaftliche Berechtigung, uns den Zweck des Kontingents zu erfüllen. Selbst bei einem kleineren Film muß der deutsche Fabrikant mindestens erst 300.000 Mark im Verleih hereingebracht haben, ehe er wenigstens seine Kosten geholt hat; bei größeren Filmen ist diese Ziffer erheblich höher. Für eine Sprachdublierung aber sind die Kosten schätzungsweise 25.000 Mark; sollen die übrigen Spesen nochmals 25.000 Mark ausmachen, so wird am Auslandsfilm schon verdient, was er über 50.000 Mark im Verleih bringt. Und selbst wenn diese Kosten beim Auslandsfilm etwas höher liegen sollten, erreichen sie doch niemals annähernd die Beträge, die der deutsche Produzent investieren muß, um einen deutschsprachigen Film auf den Markt zu bringen. Der Amerikaner aber kann sich durch Dublieren soviel billiger in den Besitz eines deutschsprachen Films setzen, daß er ihn zu Preisen auf den Markt bringen kann, denen gegenüber der deutsche Verleiher nicht konkurrenzfähig sein kann. So wird dem deutschen Film im eigenen Land der Markt verstopft, die Terminierung erschwert, das Dasein unmöglich gemacht. Bei der heutigen Situation des Kinoparks fällt diese Gefahr doppelt ins Gewicht. Es ist also nur angebracht, daß das Dublieren der Auslandsfilme in deutscher Sprache so kontingentiert wird, daß der schmale, der deutschen Produktion verbliebene Lebensraum nicht noch in Frage gestellt wird. Dabei bekennt sich S. Nebenzahl durchaus zu dem Wunsche, die wesentlichen Filme des Auslandes auch in Deutschland, und zwar in einer deutschen, unserem Publikum zugänglichen Fassung hereinkommen zu sehen; eine Beschränkung der Synchronisierungs-Möglichkeit soll nur einen Import verhüten, der sich zu einer Gefahr auswächst, statt sich auf Dublierung der wirklich wesentlichen und interessanten Auslandserzeugnisse zu beschränken.

 

 

 

Unterstützung auf Gegenseitigkeit?

Sehr klar und des Wiedergebens wert kam bei dieser Unterhaltung auch der Standpunkt der deutschen Fabrikation zum Ausdruck, daß die gleichen amerikanischen Firmen, die seit Jahren in Deutschland Geschäfte machen und sich seit ebenso vielen Jahren gegen den deutschen Einfuhrschutz sträuben, in Deutschland ihre Filme zwar verkaufen, aber von verschwindenden Ausnahmen abgesehen keine deutschen Filme einzukaufen belieben. Wir wurden darauf hingewiesen, daß kaum einer der über die ganze Welt organisierten amerikanischen Konzerne bisher die Spitzenfilme deutscher Filmfabrikanten für seine internationale Organisation erworben und sich damit ein Anrecht auf besondere Rücksichtnahme der deutschen Filmindustrie geschaffen hat, die allein auf ihren Füßen steht und der mindestens die eigene Regierung - wenn sie schon nichts Weiteres tut - wirksamen Kontingentschutz nicht versagen darf.

Lichtbild-Bühne, Nr. 107, 9.5.1932

 

 

Nebenzahls Pläne

S. Nebenzahl, im Willen zur Qualitätsproduktion noch immer mit an der Spitze in Filmeuropa, wird aus Paris mit neuen Plänen für die kommende Saison zurückerwartet. Es verlautet, daß er für die nächste Saison nicht nur einen oder zwei seiner kostspieligen Star-Regisseur-Projekte realisieren will, sondern eine größere Anzahl mittlerer Filme. Auch diese Filme verdienen von vornherein Interesse, da Nebenzahl auch hier wieder die besondere Linie finden wird, auf der er künstlerische Qualität mit Geschäftserfolg vereint. Seine Pläne - eine Hoffnung für die Autoren, die weiter wollen, über die ewige Schablone hinaus.

Film-Kurier, Nr. 115, 18.5.1932

Film-Kurier, Nr. 7, 8.1.1932


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