3 x Nebenzahl. Materialien zum 14. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 15. - 18. November 2001.
Pariser Leben im Atelier
Robert Siodmak dreht einen neuen Großfilm für die "Nero"
Es nimmt eigentlich Wunder, daß die Filmproduzenten nicht schon früher auf den Gedanken kamen, das beinahe unerschöpfliche Gebiet Offenbach'scher Musik dem Tonfilm zu erschließen. Daß eine ehemalige deutsche Gesellschaft - die "Nero" unter Leitung ihres rührigen Direktors Nebenzahl - mit der Verfilmung von LA VIE PARISIENNE den Anfang macht, beweist aufs Neue, daß deutsche Filmleute, aus ihrer Heimat vertrieben, für die Produktion der Länder, in welchen sie sich niederließen, eine Quelle steter Anregung wurden. Eine Reihe sehr beachtenswerter Filme entstand so bereits aus der Zusammenarbeit emigrierter deutscher Künstler mit den französischen, englischen und amerikanischen Produzenten.
Ein weiterer Film dieser Gemeinschaftsarbeit ist LA VIE PARISIENNE, den Robert Siodmak zurzeit dreht. Ihn den Lesern des "Pariser Tageblatts" besonders vorzustellen, ist eigentlich überflüssig. Seinen letzten deutschen Film BRENNENDES GEHEIMNIS konnten auch die mittlerweise zur Macht gekommenen Nazis nicht um den Erfolg bringen, den er in Deutschland und im gesamten Ausland errang. Im vergangenen Jahr folgte LA CRISE EST FINIE, mit dem Siodmak erstmals einen heiteren Stoff gestaltete. Der Erfolg, den dieser Film besonders in den englischsprachigen Ländern errang, war der eigentliche Anlaß, einen schon lange bestehenden Plan - die Verfilmung von LA VIE PARISIENNE - in die Tat umzusetzen.Fred Marey, Pariser Tageblatt, 23.8.1935
Belgische Prinzessin fordert Verbot des Films MAYERLING
Gräfin Lonyay, geborene Prinzessin Stephanie von Belgien, die in erster Ehe die Gemahlin des Erzherzogs Rudolf war, hatte bereits in Österreich und Belgien ein Verbot des Films MAYERLING durchgesetzt. Nun will die Prinzessin auch gegen die Aufführung des Films in Frankreich den Klageweg beschreiten. Prinzessin Stephanie ist der Auffassung, daß die Rolle, die ihr in dem Film zugeteilt wird, sehr wenig ehrenvoll ist und ihrem Ruf schade. Aus diesem Grunde wird sie jetzt die Klage anstrengen, die demnächst zur Verhandlung kommen wird. Im Grunde genommen dreht sich dieser Rechtsfall um das alte Problem, ob man das Recht hat, eine Persönlichkeit der Zeitgeschichte noch zu ihren Lebzeiten auf die Bühne oder die Leinwand zu bringen.
Pariser Tageblatt, 23.3.1936
Vorheriger Artikel - Nächster Artikel - Zurück zur Übersicht