... aus dem Geiste der Operette. Materialien zum 10. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 20. - 23. November 1997.
Zusammenfassungen der Vorträge

Gesang- und tanzmotivierte Musik im Film

Marie-Luise Bolte (Hamburg)


Wenn man heute, in einer Zeit, in der Tanz- und Unterhaltungsmusik immer seltener live produziert wird, zurückblickt auf die Musikkultur zu Anfang des Jahrhunderts, gilt es, sich zunächst für eine akustische Welt, die nur live oder unvollkommen von Konserve existiert, zu sensibilisieren.

Die Operette als Bühnenunterhaltung ist zu der Zeit das Non plus ultra. Wer tanzen will, tanzt Marsch, Walzer, Polka. Erste Einflüsse, den Rhythmus neu aufzuwirbeln, kommen über den synkopierten Marsch: den Ragtime. Twostep, Onestep, Foxtrott sind die Folgeerscheinungen. Nach dem Ersten Weltkrieg hat die deutsche Aristokratie mit ihren Uniform- und Miederzwängen an Substanz verloren. Die mondäne Welt gibt sich ausgelassen: Tango, Blues, Boston Valse, Paso doble, Shimmy, Charleston sind die modernen Tänze der 20er Jahre und werden sowohl als Showtanz wie als Gesellschaftstanz ausgeführt. Die meisten von ihnen sind gleichzeitig Lieder, Tanzkapellen verpflichten oft Sänger und Sängerensembles. Menschen wollen nicht nur selbst singen und tanzen, sie wollen sich von Stimmen und Bewegungskünsten begeistern lassen. Das Tempo der Frechheit findet in der Faszination am Mechanischen gleichen Ausdruck, die Entwicklung der Maschinen überschlägt sich. Es ist faszinierend, einen guten Sänger zu hören, noch faszinierender ist es, ihn mechanisch und doch glaubhaft von der Leinwand zu erleben. Die Popularität der Bühne und des Tanzbodens wird für den Film genutzt, und gleichzeitig ist es ein phantastisches Abenteuer, mit dem Film eine neue Bühnenwirklichkeit zu schaffen.


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