Transatlantische Verleih- und Produktionsstrategien eines Hollywood-Studios in den 20er und 30er Jahren
Materialien zum 13. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 
16. - 18. November 2000.

Biografisches


Carl Laemmle


Carl Laemmle,

der "Napoleon des Films", wird im Januar 48 Jahre alt. Er hat mit Napoleon zweierlei gemein: die kleine Figur und die Laufbahn des Mannes, der ganz allein sein Leben und sein Werk geschaffen hat. Mit vierzehn Jahren kam er nach Amerika, bekleidete allerlei untergeordnete Stellungen, wurde auch Angestellter eines Kinos, avancierte dann zum Kinobesitzer, und ein Film, den er zeigte, der das Leben eines "Self made man" zum Gegenstand hatte, brachte ihn auf die Idee, auch ein solcher "Self made man" zu werden. Er begann mit der Verschmelzung kleiner Filmgesellschaften, aus denen dann schließlich die große "Universal" wurde.
Carl Laemmle, "Onkel Carl" nennt man ihn im engeren Kreise, ist der Typus des bebrillten Deutschen, wie man sich in England und Amerika immer den Deutschen vorstellt: alle Deutschen haben bekanntlich nach der Ansicht der angelsächsischen Karikaturisten runde Gesichter und Brillen. "Onkel Carl" ist aber auch der typische Schwabe; tief an Gemüt, tief an Verstand, dabei auch mit einer guten Dosis schalkhaften Humors begabt. Er spricht immer gern deutsch, liebt es, Deutsche, namentlich Schwaben als Mitarbeiter um sich zu haben, und wenn er auch beim Reden nicht mehr schwäbelt, so verrät sein Englisch doch immer noch den Deutschen.
Es ist höchster Achtung und Anerkennung wert, daß dieser typische Deutsche und Schwabe sich so in Amerika hat durchzusetzen vermocht. Man hat nie etwas von schweren Kämpfen, Feindschaften und Intrigen um Laemmle gehört. Der wackere Schwabe hat sich durch sein Gemüt und seine ruhige, daher um so festere Energie durchzusetzen vermocht.
Es gibt kaum eine Filmgesellschaft ganz großen Stiles in Amerika, die so ganz auf einen persönlichen Ton, auf die persönliche Marke gestimmt ist, wie die "Universal". Carl Laemmle sagt und macht alles -, wenn auch natürlich seine Mitarbeiter häufig in seinem Namen handeln. Es ist bei der Filmproduktion immer sehr schwer, die Verdienste des einzelnen, sei es des Chefs, seien es die der einzelnen Mitarbeiter, abzuwägen. Aber eine genauere Erkundigung wird zeigen, daß die gesamte Produktion der "Universal" überall die leitende und helfende Hand "Onkel Carls" zeigt. Carl Laemmle hat aber auch die guten Seiten des Amerikaners. Jede originelle Idee in der Organisation, in der Reklame greift er auf, auch etwas landesüblicher Humbug darf mit unterlaufen. Aber immer ist er großzügig: auch in seiner so umfangreichen, Segen bringenden Wohltätigkeit. Z.B. hat er auch seiner württembergischen Vaterstadt Laupheim eine beträchtliche Wohltätigkeitsspende geschenkt.

Film-Kurier, Nr. 275, 23.11.1925


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